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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

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gen eines vorgefallenen Lerms, vom Konrektor
mit der Peitsche bestraft wurden, theilen mußte.
Gleiche Brüder gleiche Kappen, sagte der Kon¬
rektor, da er an ihn kam, und hörte auf keine
Entschuldigungen, drohte auch noch dazu, ihn
bei dem Pastor M. . . zu verklagen. Das Ge¬
fühl seiner Unschuld beseelte Reisern mit einem
edlen Trotze, und er drohte wieder, den Konrek¬
tor bei dem Pastor M. . . zu verklagen, daß er
ihn unschuldiger weise auf eine so erniedrigende
Art behandelte.

Reiser sagte dieß mit der Stimme der unter¬
drückten Unschuld, und der Konrektor antwor¬
tete ihm kein Wort. Aber von der Zeit an, war
auch alles Gefühl von Achtung und Liebe für
den Konrektor, wie aus seinem Herzen weggebla¬
sen. Und da der Konrektor nun einmal in sei¬
nen Strafen weiter keinen Unterschied machte,
so achtetete Reiser eine Ohrfeige oder einen Peit¬
schenschlag von ihm eben so wenig, als ob irgend
ein unvernünftiges Thier an ihn angerannt
wäre. Und weil er nun sahe, daß es gleichviel
war, ob er sich die Achtung dieses Lehrers zu er¬
werben suchte, oder nicht, so hieng er auch nun

gen eines vorgefallenen Lerms, vom Konrektor
mit der Peitſche beſtraft wurden, theilen mußte.
Gleiche Bruͤder gleiche Kappen, ſagte der Kon¬
rektor, da er an ihn kam, und hoͤrte auf keine
Entſchuldigungen, drohte auch noch dazu, ihn
bei dem Paſtor M. . . zu verklagen. Das Ge¬
fuͤhl ſeiner Unſchuld beſeelte Reiſern mit einem
edlen Trotze, und er drohte wieder, den Konrek¬
tor bei dem Paſtor M. . . zu verklagen, daß er
ihn unſchuldiger weiſe auf eine ſo erniedrigende
Art behandelte.

Reiſer ſagte dieß mit der Stimme der unter¬
druͤckten Unſchuld, und der Konrektor antwor¬
tete ihm kein Wort. Aber von der Zeit an, war
auch alles Gefuͤhl von Achtung und Liebe fuͤr
den Konrektor, wie aus ſeinem Herzen weggebla¬
ſen. Und da der Konrektor nun einmal in ſei¬
nen Strafen weiter keinen Unterſchied machte,
ſo achtetete Reiſer eine Ohrfeige oder einen Peit¬
ſchenſchlag von ihm eben ſo wenig, als ob irgend
ein unvernuͤnftiges Thier an ihn angerannt
waͤre. Und weil er nun ſahe, daß es gleichviel
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[60/0070] gen eines vorgefallenen Lerms, vom Konrektor mit der Peitſche beſtraft wurden, theilen mußte. Gleiche Bruͤder gleiche Kappen, ſagte der Kon¬ rektor, da er an ihn kam, und hoͤrte auf keine Entſchuldigungen, drohte auch noch dazu, ihn bei dem Paſtor M. . . zu verklagen. Das Ge¬ fuͤhl ſeiner Unſchuld beſeelte Reiſern mit einem edlen Trotze, und er drohte wieder, den Konrek¬ tor bei dem Paſtor M. . . zu verklagen, daß er ihn unſchuldiger weiſe auf eine ſo erniedrigende Art behandelte. Reiſer ſagte dieß mit der Stimme der unter¬ druͤckten Unſchuld, und der Konrektor antwor¬ tete ihm kein Wort. Aber von der Zeit an, war auch alles Gefuͤhl von Achtung und Liebe fuͤr den Konrektor, wie aus ſeinem Herzen weggebla¬ ſen. Und da der Konrektor nun einmal in ſei¬ nen Strafen weiter keinen Unterſchied machte, ſo achtetete Reiſer eine Ohrfeige oder einen Peit¬ ſchenſchlag von ihm eben ſo wenig, als ob irgend ein unvernuͤnftiges Thier an ihn angerannt waͤre. Und weil er nun ſahe, daß es gleichviel war, ob er ſich die Achtung dieſes Lehrers zu er¬ werben ſuchte, oder nicht, ſo hieng er auch nun

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/70>, abgerufen am 23.04.2024.