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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

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ler gebohren. Er hatte schon als ein Knabe von
zwölf Jahren, alle seine Minen und Bewegun¬
gen in seiner Gewalt -- und konnte alle Arten
von Lächerlichkeiten in der vollkommensten Nach¬
ahmung darstellen. Da war kein Prediger
in H... dem er nicht auf das natürlichste nachge¬
predigt hatte. Dazu wurde denn gemeiniglich
die Zwischenzeit, ehe der Konrektor zur Privat¬
stunde kam, angewandt. Jedermann fürchtete
sich daher vor J. . ., weil er jedermann, sobald
er nur wollte, lächerlich zu machen wuste. --
Reiser liebte ihn dennoch, und hätte schon da¬
mals gern nähern Umgang mit ihm gehabt,
wenn die Verschiedenheit der Glücksumstände
es nicht verhindert hätte. J. . .s Eltern waren
reich und augesehn, und Reiser war ein ar¬
mer Knabe, der von Wohlthaten lebte, dem¬
ohngeachtet aber den Gedanken bis in den Tod
haßte, sich auf irgend eine Weise Reichen auf¬
zubringen. -- Indeß genoß er von seinen rei¬
chern und besser gekleideten Mitschülern weit
mehr Achtung als er erwartet hatte, welches
zum Theil wohl mit daher kommen mochte, weil
man wußte, daß ihn der Prinz studieren ließe,

ler gebohren. Er hatte ſchon als ein Knabe von
zwoͤlf Jahren, alle ſeine Minen und Bewegun¬
gen in ſeiner Gewalt — und konnte alle Arten
von Laͤcherlichkeiten in der vollkommenſten Nach¬
ahmung darſtellen. Da war kein Prediger
in H... dem er nicht auf das natuͤrlichſte nachge¬
predigt hatte. Dazu wurde denn gemeiniglich
die Zwiſchenzeit, ehe der Konrektor zur Privat¬
ſtunde kam, angewandt. Jedermann fuͤrchtete
ſich daher vor J. . ., weil er jedermann, ſobald
er nur wollte, laͤcherlich zu machen wuſte. —
Reiſer liebte ihn dennoch, und haͤtte ſchon da¬
mals gern naͤhern Umgang mit ihm gehabt,
wenn die Verſchiedenheit der Gluͤcksumſtaͤnde
es nicht verhindert haͤtte. J. . .s Eltern waren
reich und augeſehn, und Reiſer war ein ar¬
mer Knabe, der von Wohlthaten lebte, dem¬
ohngeachtet aber den Gedanken bis in den Tod
haßte, ſich auf irgend eine Weiſe Reichen auf¬
zubringen. — Indeß genoß er von ſeinen rei¬
chern und beſſer gekleideten Mitſchuͤlern weit
mehr Achtung als er erwartet hatte, welches
zum Theil wohl mit daher kommen mochte, weil
man wußte, daß ihn der Prinz ſtudieren ließe,

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[58/0068] ler gebohren. Er hatte ſchon als ein Knabe von zwoͤlf Jahren, alle ſeine Minen und Bewegun¬ gen in ſeiner Gewalt — und konnte alle Arten von Laͤcherlichkeiten in der vollkommenſten Nach¬ ahmung darſtellen. Da war kein Prediger in H... dem er nicht auf das natuͤrlichſte nachge¬ predigt hatte. Dazu wurde denn gemeiniglich die Zwiſchenzeit, ehe der Konrektor zur Privat¬ ſtunde kam, angewandt. Jedermann fuͤrchtete ſich daher vor J. . ., weil er jedermann, ſobald er nur wollte, laͤcherlich zu machen wuſte. — Reiſer liebte ihn dennoch, und haͤtte ſchon da¬ mals gern naͤhern Umgang mit ihm gehabt, wenn die Verſchiedenheit der Gluͤcksumſtaͤnde es nicht verhindert haͤtte. J. . .s Eltern waren reich und augeſehn, und Reiſer war ein ar¬ mer Knabe, der von Wohlthaten lebte, dem¬ ohngeachtet aber den Gedanken bis in den Tod haßte, ſich auf irgend eine Weiſe Reichen auf¬ zubringen. — Indeß genoß er von ſeinen rei¬ chern und beſſer gekleideten Mitſchuͤlern weit mehr Achtung als er erwartet hatte, welches zum Theil wohl mit daher kommen mochte, weil man wußte, daß ihn der Prinz ſtudieren ließe,

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/68>, abgerufen am 24.04.2024.