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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

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wird er nun von mir denken, wofür wird er mich
halten?

Diese Gedanken giengen Reisern durch den
Kopf, und bestürmten ihn auf einmal so sehr mit
Schaam, Verwirrung, und Verachtung seiner
selbst, daß er glaubte in die Erde sinken zu müssen. --
Aber er ermannte sich, das Selbstzutrauen arbei¬
tete sich unter der erstickenden Schaam wieder her¬
vor, und flößte ihm zugleich Muth und Zutrauen
gegen den Pastor M. . . ein --- er faßte schnell ein
Herz, gieng geradesweges auf den Pastor M. . .
zu, und redete ihn auf öffentlicher Straße an, in¬
dem er zu ihm sagte, er sey einer von den Knaben,
die bei ihm zur Kinderlehre giengen, und der Pa¬
stor M. . . möchte doch deswegen keinen Zorn auf
ihn werfen, daß er sich eben itzt mit den beiden
Jungen dort geschlagen hätte, dies wäre sonst gar
seine Art nicht; die Jungen hätten ihn nicht zu¬
frieden gelassen; und es sollte nie wieder gesche¬
hen. --

Dem Pastor M. . . war es sehr auffallend, sich
auf der Straße von einem Knaben auf die Weise
angeredet zu sehen, der sich eben mit ein paar an¬
dern Buben herumgebalgt hatte -- nach einer klei¬

wird er nun von mir denken, wofuͤr wird er mich
halten?

Dieſe Gedanken giengen Reiſern durch den
Kopf, und beſtuͤrmten ihn auf einmal ſo ſehr mit
Schaam, Verwirrung, und Verachtung ſeiner
ſelbſt, daß er glaubte in die Erde ſinken zu muͤſſen. —
Aber er ermannte ſich, das Selbſtzutrauen arbei¬
tete ſich unter der erſtickenden Schaam wieder her¬
vor, und floͤßte ihm zugleich Muth und Zutrauen
gegen den Paſtor M. . . ein --- er faßte ſchnell ein
Herz, gieng geradesweges auf den Paſtor M. . .
zu, und redete ihn auf oͤffentlicher Straße an, in¬
dem er zu ihm ſagte, er ſey einer von den Knaben,
die bei ihm zur Kinderlehre giengen, und der Pa¬
ſtor M. . . moͤchte doch deswegen keinen Zorn auf
ihn werfen, daß er ſich eben itzt mit den beiden
Jungen dort geſchlagen haͤtte, dies waͤre ſonſt gar
ſeine Art nicht; die Jungen haͤtten ihn nicht zu¬
frieden gelaſſen; und es ſollte nie wieder geſche¬
hen. —

Dem Paſtor M. . . war es ſehr auffallend, ſich
auf der Straße von einem Knaben auf die Weiſe
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[2/0012] wird er nun von mir denken, wofuͤr wird er mich halten? Dieſe Gedanken giengen Reiſern durch den Kopf, und beſtuͤrmten ihn auf einmal ſo ſehr mit Schaam, Verwirrung, und Verachtung ſeiner ſelbſt, daß er glaubte in die Erde ſinken zu muͤſſen. — Aber er ermannte ſich, das Selbſtzutrauen arbei¬ tete ſich unter der erſtickenden Schaam wieder her¬ vor, und floͤßte ihm zugleich Muth und Zutrauen gegen den Paſtor M. . . ein --- er faßte ſchnell ein Herz, gieng geradesweges auf den Paſtor M. . . zu, und redete ihn auf oͤffentlicher Straße an, in¬ dem er zu ihm ſagte, er ſey einer von den Knaben, die bei ihm zur Kinderlehre giengen, und der Pa¬ ſtor M. . . moͤchte doch deswegen keinen Zorn auf ihn werfen, daß er ſich eben itzt mit den beiden Jungen dort geſchlagen haͤtte, dies waͤre ſonſt gar ſeine Art nicht; die Jungen haͤtten ihn nicht zu¬ frieden gelaſſen; und es ſollte nie wieder geſche¬ hen. — Dem Paſtor M. . . war es ſehr auffallend, ſich auf der Straße von einem Knaben auf die Weiſe angeredet zu ſehen, der ſich eben mit ein paar an¬ dern Buben herumgebalgt hatte — nach einer klei¬

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/12>, abgerufen am 28.03.2024.