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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

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auch sonst nach einer Pause, in einer Art von
Entzückung, von ihm gehört zu haben -- Es schien
dann zuweilen, als wollte er mit diesen Worten
seinen zur Ewigkeit reifen Geist aushauchen, und
in dem Augenblick seine sterbliche Hülle abstreifen.
-- Darum war es Reisern sehr auffallend, da
er hörte, daß der alte Mann mit diesen Worten
gestorben sey, und doch war es ihm auch, als
sey er nicht gestorben, so sehr schien dieser from¬
me Greis immer schon in einer andern Welt zu
leben -- Tod und Ewigkeit, waren die letztenmale
das ihn Reiser sprach, fast sein einziger Gedan¬
ke. -- Es war Reisern diesmal fast nicht an¬
ders, als ob der alte Mann ausgezogen sey, da
er ihn habe besuchen wollen, und dieß war bei
ihm nichts weniger als Gleichgültigkeit, sondern
eine innige Vertraulichkeit mit dem Gedanken an
den Tod dieses Mannes.

Indes hatte er an dem alten Mann wieder ei¬
nen Freund seiner Jugend verlohren, dessen Theil¬
nehmung an seinen Schicksale ihm oft Freude ge¬
macht hatte. Er fühlte sich in manchen Stunden,
ohne selbst zu wissen warum, verlassner wie sonst.
-- Die Frau F. . . wurde der Last, welche ihr sein

auch ſonſt nach einer Pauſe, in einer Art von
Entzuͤckung, von ihm gehoͤrt zu haben — Es ſchien
dann zuweilen, als wollte er mit dieſen Worten
ſeinen zur Ewigkeit reifen Geiſt aushauchen, und
in dem Augenblick ſeine ſterbliche Huͤlle abſtreifen.
— Darum war es Reiſern ſehr auffallend, da
er hoͤrte, daß der alte Mann mit dieſen Worten
geſtorben ſey, und doch war es ihm auch, als
ſey er nicht geſtorben, ſo ſehr ſchien dieſer from¬
me Greis immer ſchon in einer andern Welt zu
leben — Tod und Ewigkeit, waren die letztenmale
das ihn Reiſer ſprach, faſt ſein einziger Gedan¬
ke. — Es war Reiſern diesmal faſt nicht an¬
ders, als ob der alte Mann ausgezogen ſey, da
er ihn habe beſuchen wollen, und dieß war bei
ihm nichts weniger als Gleichguͤltigkeit, ſondern
eine innige Vertraulichkeit mit dem Gedanken an
den Tod dieſes Mannes.

Indes hatte er an dem alten Mann wieder ei¬
nen Freund ſeiner Jugend verlohren, deſſen Theil¬
nehmung an ſeinen Schickſale ihm oft Freude ge¬
macht hatte. Er fuͤhlte ſich in manchen Stunden,
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[96/0106] auch ſonſt nach einer Pauſe, in einer Art von Entzuͤckung, von ihm gehoͤrt zu haben — Es ſchien dann zuweilen, als wollte er mit dieſen Worten ſeinen zur Ewigkeit reifen Geiſt aushauchen, und in dem Augenblick ſeine ſterbliche Huͤlle abſtreifen. — Darum war es Reiſern ſehr auffallend, da er hoͤrte, daß der alte Mann mit dieſen Worten geſtorben ſey, und doch war es ihm auch, als ſey er nicht geſtorben, ſo ſehr ſchien dieſer from¬ me Greis immer ſchon in einer andern Welt zu leben — Tod und Ewigkeit, waren die letztenmale das ihn Reiſer ſprach, faſt ſein einziger Gedan¬ ke. — Es war Reiſern diesmal faſt nicht an¬ ders, als ob der alte Mann ausgezogen ſey, da er ihn habe beſuchen wollen, und dieß war bei ihm nichts weniger als Gleichguͤltigkeit, ſondern eine innige Vertraulichkeit mit dem Gedanken an den Tod dieſes Mannes. Indes hatte er an dem alten Mann wieder ei¬ nen Freund ſeiner Jugend verlohren, deſſen Theil¬ nehmung an ſeinen Schickſale ihm oft Freude ge¬ macht hatte. Er fuͤhlte ſich in manchen Stunden, ohne ſelbſt zu wiſſen warum, verlaſſner wie ſonſt. — Die Frau F. . . wurde der Laſt, welche ihr ſein

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/106>, abgerufen am 19.04.2024.