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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

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ken noch zwischen Unterdrückung und Empörung. --
Die Erde seufzt in ihren innersten Tiefen über das
Schicksal ihrer Kinder, und denkt auf Rache; sie
schmiedet die erste Sichel, und giebt sie als ein
rächendes Werkzeug dem Saturnus, ihrem jüng-
sten Sohne.

Die wilden Erzeugungen müssen aufhören;
Uranos, der seine eigenen Kinder in nächtlichem
Dunkel gefangen hält, muß seiner Herrschaft ent-
setzt werden. -- Sein jüngster Sohn Saturnus
überlistet ihn, da er sich mit der Erde begattet,
und entmannet seinen Erzeuger mit der Sichel, die
ihm seine Mutter gab. Aus den Blutstropfen,
welche die Erde auffängt, entstehen in der Folge
der Zeit die rächerischen Furien, die furchtbaren,
den Göttern drohenden Giganten, und die Nym-
phen Meliä, welche die Berge bewohnen. --
Die dem Uranos entnommene Zeugungskraft be-
fruchtet das Meer, aus dessen Schaum Aphro-
dite,
die Göttin der Liebe empor steigt. -- Aus
Streit und Empörung der ursprünglichen Wesen
gegeneinander entwickelt und bildet sich das
Schöne.

Nun vermählen sich die Kinder des Himmels
und der Erde, und pflanzen das Geschlecht der Ti-
tanen fort. -- Cöus mit der Phöbe, einer Toch-
ter des Himmels, zeugt die Latona, welche nach-
her die Vermählte des Jupiter, und die Asteria,

ken noch zwiſchen Unterdruͤckung und Empoͤrung. —
Die Erde ſeufzt in ihren innerſten Tiefen uͤber das
Schickſal ihrer Kinder, und denkt auf Rache; ſie
ſchmiedet die erſte Sichel, und giebt ſie als ein
raͤchendes Werkzeug dem Saturnus, ihrem juͤng-
ſten Sohne.

Die wilden Erzeugungen muͤſſen aufhoͤren;
Uranos, der ſeine eigenen Kinder in naͤchtlichem
Dunkel gefangen haͤlt, muß ſeiner Herrſchaft ent-
ſetzt werden. — Sein juͤngſter Sohn Saturnus
uͤberliſtet ihn, da er ſich mit der Erde begattet,
und entmannet ſeinen Erzeuger mit der Sichel, die
ihm ſeine Mutter gab. Aus den Blutstropfen,
welche die Erde auffaͤngt, entſtehen in der Folge
der Zeit die raͤcheriſchen Furien, die furchtbaren,
den Goͤttern drohenden Giganten, und die Nym-
phen Meliaͤ, welche die Berge bewohnen. —
Die dem Uranos entnommene Zeugungskraft be-
fruchtet das Meer, aus deſſen Schaum Aphro-
dite,
die Goͤttin der Liebe empor ſteigt. — Aus
Streit und Empoͤrung der urſpruͤnglichen Weſen
gegeneinander entwickelt und bildet ſich das
Schoͤne.

Nun vermaͤhlen ſich die Kinder des Himmels
und der Erde, und pflanzen das Geſchlecht der Ti-
tanen fort. — Coͤus mit der Phoͤbe, einer Toch-
ter des Himmels, zeugt die Latona, welche nach-
her die Vermaͤhlte des Jupiter, und die Aſteria,

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[15/0035] ken noch zwiſchen Unterdruͤckung und Empoͤrung. — Die Erde ſeufzt in ihren innerſten Tiefen uͤber das Schickſal ihrer Kinder, und denkt auf Rache; ſie ſchmiedet die erſte Sichel, und giebt ſie als ein raͤchendes Werkzeug dem Saturnus, ihrem juͤng- ſten Sohne. Die wilden Erzeugungen muͤſſen aufhoͤren; Uranos, der ſeine eigenen Kinder in naͤchtlichem Dunkel gefangen haͤlt, muß ſeiner Herrſchaft ent- ſetzt werden. — Sein juͤngſter Sohn Saturnus uͤberliſtet ihn, da er ſich mit der Erde begattet, und entmannet ſeinen Erzeuger mit der Sichel, die ihm ſeine Mutter gab. Aus den Blutstropfen, welche die Erde auffaͤngt, entſtehen in der Folge der Zeit die raͤcheriſchen Furien, die furchtbaren, den Goͤttern drohenden Giganten, und die Nym- phen Meliaͤ, welche die Berge bewohnen. — Die dem Uranos entnommene Zeugungskraft be- fruchtet das Meer, aus deſſen Schaum Aphro- dite, die Goͤttin der Liebe empor ſteigt. — Aus Streit und Empoͤrung der urſpruͤnglichen Weſen gegeneinander entwickelt und bildet ſich das Schoͤne. Nun vermaͤhlen ſich die Kinder des Himmels und der Erde, und pflanzen das Geſchlecht der Ti- tanen fort. — Coͤus mit der Phoͤbe, einer Toch- ter des Himmels, zeugt die Latona, welche nach- her die Vermaͤhlte des Jupiter, und die Aſteria,

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/35>, abgerufen am 19.04.2024.