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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.

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Nach Leibnizens Monadenlehre und der Harmoniaprästabilita kann eine mit Bewußtseyn begabte Monade (Seele) zweierlei Arten von Modifikationen erhalten; die eine ist das Resultat der Wirkung und des Leidens aller derjenigen Monaden, die mit ihr in einer besondern Beziehung stehn; d.h. der Organisation. Die andere ist der unmittelbare Einfluß einer andern Monade, die ihrem innern Wesen nach mit jener in einem genauen Verhältniß steht.

Man kann der Psychologie, so wie auch jeder andern Naturerkenntniß keinen größern Schaden zufügen, als wenn man sich bemüht, alles, was in dieser Wissenschaft vorkömmt, unter ein einziges System zu bringen.

Derjenige, der ein solches System einmal geschmiedet hat, verengt dadurch selbst seinen Gesichtskreiß; er findet in der Wissenschaft nichts mehr, als was diesem Systeme gemäß ist. Alles übrige, was sich ihm darinn aufdringt, verwirft er mit einem philosophischen Trotz.

Die auf die Voraussetzung gegründete Psychologie, daß die Seele kein für sich bestehendes Wesen, sondern ein Theil eines größern Ganzen (des Weltalls) ausmacht, ist zwar weniger rein, als die auf die Substantialität der Seele gegründete. Sie ist aber um desto vollständiger als diese.



Nach Leibnizens Monadenlehre und der Harmoniapraͤstabilita kann eine mit Bewußtseyn begabte Monade (Seele) zweierlei Arten von Modifikationen erhalten; die eine ist das Resultat der Wirkung und des Leidens aller derjenigen Monaden, die mit ihr in einer besondern Beziehung stehn; d.h. der Organisation. Die andere ist der unmittelbare Einfluß einer andern Monade, die ihrem innern Wesen nach mit jener in einem genauen Verhaͤltniß steht.

Man kann der Psychologie, so wie auch jeder andern Naturerkenntniß keinen groͤßern Schaden zufuͤgen, als wenn man sich bemuͤht, alles, was in dieser Wissenschaft vorkoͤmmt, unter ein einziges System zu bringen.

Derjenige, der ein solches System einmal geschmiedet hat, verengt dadurch selbst seinen Gesichtskreiß; er findet in der Wissenschaft nichts mehr, als was diesem Systeme gemaͤß ist. Alles uͤbrige, was sich ihm darinn aufdringt, verwirft er mit einem philosophischen Trotz.

Die auf die Voraussetzung gegruͤndete Psychologie, daß die Seele kein fuͤr sich bestehendes Wesen, sondern ein Theil eines groͤßern Ganzen (des Weltalls) ausmacht, ist zwar weniger rein, als die auf die Substantialitaͤt der Seele gegruͤndete. Sie ist aber um desto vollstaͤndiger als diese.


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[27/0027] Nach Leibnizens Monadenlehre und der Harmoniapraͤstabilita kann eine mit Bewußtseyn begabte Monade (Seele) zweierlei Arten von Modifikationen erhalten; die eine ist das Resultat der Wirkung und des Leidens aller derjenigen Monaden, die mit ihr in einer besondern Beziehung stehn; d.h. der Organisation. Die andere ist der unmittelbare Einfluß einer andern Monade, die ihrem innern Wesen nach mit jener in einem genauen Verhaͤltniß steht. Man kann der Psychologie, so wie auch jeder andern Naturerkenntniß keinen groͤßern Schaden zufuͤgen, als wenn man sich bemuͤht, alles, was in dieser Wissenschaft vorkoͤmmt, unter ein einziges System zu bringen. Derjenige, der ein solches System einmal geschmiedet hat, verengt dadurch selbst seinen Gesichtskreiß; er findet in der Wissenschaft nichts mehr, als was diesem Systeme gemaͤß ist. Alles uͤbrige, was sich ihm darinn aufdringt, verwirft er mit einem philosophischen Trotz. Die auf die Voraussetzung gegruͤndete Psychologie, daß die Seele kein fuͤr sich bestehendes Wesen, sondern ein Theil eines groͤßern Ganzen (des Weltalls) ausmacht, ist zwar weniger rein, als die auf die Substantialitaͤt der Seele gegruͤndete. Sie ist aber um desto vollstaͤndiger als diese.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/27>, abgerufen am 18.04.2024.