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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.

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Rathe, noch denselben Morgen zu einer alten Verwandtin zu ziehen. Hier, hofte man, sollte sie Ruhe erlangen, allein da führte der Teufel, wie er denn immer sein Spiel hat, einen schwärmerischen Mönch her, der über die Besessene den Exorcismum zu halten anfieng, Reliquien auflegte, Weihwasser sprützte und Amulete umhieng. War sie ruhig geworden, was konnte anders kommen, als daß sie von Neuem in Angst gesetzt wurde? und auch gleich liefen alle Nachbarinnen zusammen, und bethörten sie mit ihrem Geschrei: ja sie wäre besessen, sie wäre besessen! Doch mag dieses eben keine große Wirkung gehabt haben; eine Aderlässe that das Beste. -- Ehe drei Tage vorbei waren, kam sie heiter und fröhlichen Muthes wieder in ihre alte Heimath, sagte: sie wäre nun ganz gesund, und wünsche nichts, als nur bei ihrer Herrschaft wieder zu seyn. Allein, kaum waren ein Paar Tage hingegangen; so sprach sie doch schon wieder von Toben und Pfeiffen und Teufeln. Man hielt also für das Beste sie auf immerdar aus dem Hause zu entfernen, darin sie den Grund zu ihrem Unglücke gelegt hatte. Sie gieng also wieder zu ihrer alten Base, wo sie auch noch gesund, aber immer still und in sich gekehrt lebt. Zuweilen beklagt sie sich noch über ihr Schicksal, und giebt dann immer dem Hause Schuld, darin es sie betroffen. Frägt man sie aber, was sie eigentlich unter dem Hause verstehe; so kommt nie eine deutliche Antwort heraus. Menschen,


Rathe, noch denselben Morgen zu einer alten Verwandtin zu ziehen. Hier, hofte man, sollte sie Ruhe erlangen, allein da fuͤhrte der Teufel, wie er denn immer sein Spiel hat, einen schwaͤrmerischen Moͤnch her, der uͤber die Besessene den Exorcismum zu halten anfieng, Reliquien auflegte, Weihwasser spruͤtzte und Amulete umhieng. War sie ruhig geworden, was konnte anders kommen, als daß sie von Neuem in Angst gesetzt wurde? und auch gleich liefen alle Nachbarinnen zusammen, und bethoͤrten sie mit ihrem Geschrei: ja sie waͤre besessen, sie waͤre besessen! Doch mag dieses eben keine große Wirkung gehabt haben; eine Aderlaͤsse that das Beste. — Ehe drei Tage vorbei waren, kam sie heiter und froͤhlichen Muthes wieder in ihre alte Heimath, sagte: sie waͤre nun ganz gesund, und wuͤnsche nichts, als nur bei ihrer Herrschaft wieder zu seyn. Allein, kaum waren ein Paar Tage hingegangen; so sprach sie doch schon wieder von Toben und Pfeiffen und Teufeln. Man hielt also fuͤr das Beste sie auf immerdar aus dem Hause zu entfernen, darin sie den Grund zu ihrem Ungluͤcke gelegt hatte. Sie gieng also wieder zu ihrer alten Base, wo sie auch noch gesund, aber immer still und in sich gekehrt lebt. Zuweilen beklagt sie sich noch uͤber ihr Schicksal, und giebt dann immer dem Hause Schuld, darin es sie betroffen. Fraͤgt man sie aber, was sie eigentlich unter dem Hause verstehe; so kommt nie eine deutliche Antwort heraus. Menschen,

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[34/0034] Rathe, noch denselben Morgen zu einer alten Verwandtin zu ziehen. Hier, hofte man, sollte sie Ruhe erlangen, allein da fuͤhrte der Teufel, wie er denn immer sein Spiel hat, einen schwaͤrmerischen Moͤnch her, der uͤber die Besessene den Exorcismum zu halten anfieng, Reliquien auflegte, Weihwasser spruͤtzte und Amulete umhieng. War sie ruhig geworden, was konnte anders kommen, als daß sie von Neuem in Angst gesetzt wurde? und auch gleich liefen alle Nachbarinnen zusammen, und bethoͤrten sie mit ihrem Geschrei: ja sie waͤre besessen, sie waͤre besessen! Doch mag dieses eben keine große Wirkung gehabt haben; eine Aderlaͤsse that das Beste. — Ehe drei Tage vorbei waren, kam sie heiter und froͤhlichen Muthes wieder in ihre alte Heimath, sagte: sie waͤre nun ganz gesund, und wuͤnsche nichts, als nur bei ihrer Herrschaft wieder zu seyn. Allein, kaum waren ein Paar Tage hingegangen; so sprach sie doch schon wieder von Toben und Pfeiffen und Teufeln. Man hielt also fuͤr das Beste sie auf immerdar aus dem Hause zu entfernen, darin sie den Grund zu ihrem Ungluͤcke gelegt hatte. Sie gieng also wieder zu ihrer alten Base, wo sie auch noch gesund, aber immer still und in sich gekehrt lebt. Zuweilen beklagt sie sich noch uͤber ihr Schicksal, und giebt dann immer dem Hause Schuld, darin es sie betroffen. Fraͤgt man sie aber, was sie eigentlich unter dem Hause verstehe; so kommt nie eine deutliche Antwort heraus. Menschen,

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/34>, abgerufen am 25.04.2024.