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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.

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ratur betreffend, vorkommt; daß man nicht denjenigen, der die Metaphysik oder auch irgend eine praktische Wissenschaft nicht versteht, sondern denjenigen für dumm hält, der die Anfangsgründe der Geometrie nicht zu fassen vermag. Um nun eine andre Wissenschaft als die Geometrie zu erlernen, ist es nicht genug, daß man den Grad von hohen Seelenkräften besitzt, der dazu erfordert wird, sondern man muß auch den Hindernissen entgegenarbeiten, welche die Einbildungskraft auf Veranlassung der sinnlichen Begriffe verursacht, und die Schwierigkeiten aus dem Wege räumen, welche durch die Zweifel der Vernunft bei Gelegenheit der unsinnlichen, als: Zweck, Ursache, Wesen u.s.w. entstehn. Hingegen muß derjenige, welcher die Anfangsgründe der Geometrie nicht zu begreifen vermag, schlechterdings den Grad der höhern Seelenkräfte nicht besitzen, der zur Erlernung derselben gehört; weil er keine Schwierigkeiten, die von den Seelenkräften selbst herrühren, zu überwinden hat, und ist daher in Absicht des Grades von Verstand und Vernunft, der zu Erlernung der Geometrie erfordert wird, dumm.

Also bestätigt die besondre Bemerkung, welche aus den Litteraturbriefen angeführt worden, die Richtigkeit der vorhin angezeigten Bemerkung: daß den Fortschritten der Vernunft ihre eignen Zweifel und die Operationen der Einbildungskraft im Wege liegen; dahingegen die Einbildungskraft unaufhalt-


ratur betreffend, vorkommt; daß man nicht denjenigen, der die Metaphysik oder auch irgend eine praktische Wissenschaft nicht versteht, sondern denjenigen fuͤr dumm haͤlt, der die Anfangsgruͤnde der Geometrie nicht zu fassen vermag. Um nun eine andre Wissenschaft als die Geometrie zu erlernen, ist es nicht genug, daß man den Grad von hohen Seelenkraͤften besitzt, der dazu erfordert wird, sondern man muß auch den Hindernissen entgegenarbeiten, welche die Einbildungskraft auf Veranlassung der sinnlichen Begriffe verursacht, und die Schwierigkeiten aus dem Wege raͤumen, welche durch die Zweifel der Vernunft bei Gelegenheit der unsinnlichen, als: Zweck, Ursache, Wesen u.s.w. entstehn. Hingegen muß derjenige, welcher die Anfangsgruͤnde der Geometrie nicht zu begreifen vermag, schlechterdings den Grad der hoͤhern Seelenkraͤfte nicht besitzen, der zur Erlernung derselben gehoͤrt; weil er keine Schwierigkeiten, die von den Seelenkraͤften selbst herruͤhren, zu uͤberwinden hat, und ist daher in Absicht des Grades von Verstand und Vernunft, der zu Erlernung der Geometrie erfordert wird, dumm.

Also bestaͤtigt die besondre Bemerkung, welche aus den Litteraturbriefen angefuͤhrt worden, die Richtigkeit der vorhin angezeigten Bemerkung: daß den Fortschritten der Vernunft ihre eignen Zweifel und die Operationen der Einbildungskraft im Wege liegen; dahingegen die Einbildungskraft unaufhalt-

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[17/0017] ratur betreffend, vorkommt; daß man nicht denjenigen, der die Metaphysik oder auch irgend eine praktische Wissenschaft nicht versteht, sondern denjenigen fuͤr dumm haͤlt, der die Anfangsgruͤnde der Geometrie nicht zu fassen vermag. Um nun eine andre Wissenschaft als die Geometrie zu erlernen, ist es nicht genug, daß man den Grad von hohen Seelenkraͤften besitzt, der dazu erfordert wird, sondern man muß auch den Hindernissen entgegenarbeiten, welche die Einbildungskraft auf Veranlassung der sinnlichen Begriffe verursacht, und die Schwierigkeiten aus dem Wege raͤumen, welche durch die Zweifel der Vernunft bei Gelegenheit der unsinnlichen, als: Zweck, Ursache, Wesen u.s.w. entstehn. Hingegen muß derjenige, welcher die Anfangsgruͤnde der Geometrie nicht zu begreifen vermag, schlechterdings den Grad der hoͤhern Seelenkraͤfte nicht besitzen, der zur Erlernung derselben gehoͤrt; weil er keine Schwierigkeiten, die von den Seelenkraͤften selbst herruͤhren, zu uͤberwinden hat, und ist daher in Absicht des Grades von Verstand und Vernunft, der zu Erlernung der Geometrie erfordert wird, dumm. Also bestaͤtigt die besondre Bemerkung, welche aus den Litteraturbriefen angefuͤhrt worden, die Richtigkeit der vorhin angezeigten Bemerkung: daß den Fortschritten der Vernunft ihre eignen Zweifel und die Operationen der Einbildungskraft im Wege liegen; dahingegen die Einbildungskraft unaufhalt-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/17>, abgerufen am 29.03.2024.