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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.

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heißt, d.h. man kann nicht wollen, die Vorstellung einer Vollkommenheit an sich für die Vollkommenheit selbst zu halten, wenn die Vollkommenheit selbst der Zweck ist. Man kann sich zwar hierin täuschen d.h. glauben, daß man diese Vollkommenheit würklich besitze, keineswegs aber sich täuschen wollen, indem dieses einen Widerspruch enthält. Denn täuschen wollen, heißt so viel als sich täuschen und dennoch wissen daß man sich täusche, d.h. sich nicht täuschen.

Jst hingegen nicht die Vollkommenheit selbst sondern ihre Würkung Zweck, so kann man sich allerdings täuschen wollen. Ein Mensch kann sich (aus Mangel an psychologischen Kenntnissen) zwar täuschen, aber nicht täuschen wollen, daß er nach Principien der Tugend handle, wenn er bei sich weiß, daß er nach der Maxime des Jnteresses handele. Hingegen kann ein Mensch, der aus Temperament tugendhaft ist, d.h. dessen Neigungen zufälligerweise mit den Gesetzen der Moral übereinstimmen, sich täuschen wollen, daß er nicht bloß pflichtmäßig sondern aus Pflicht handle, weil er nicht nur vom Gegentheil sich nicht überzeugen, sondern auch dadurch sich dieser Jdee immer nähern und den Endzweck also am besten befördern kann, und daher auch auf das, aus der Vorstellung dieser Vollkommenheit entspringende Vergnügen mit Recht Anspruch machen darf. So wie ohngefähr diejenigen, die nach einem bestimm-


heißt, d.h. man kann nicht wollen, die Vorstellung einer Vollkommenheit an sich fuͤr die Vollkommenheit selbst zu halten, wenn die Vollkommenheit selbst der Zweck ist. Man kann sich zwar hierin taͤuschen d.h. glauben, daß man diese Vollkommenheit wuͤrklich besitze, keineswegs aber sich taͤuschen wollen, indem dieses einen Widerspruch enthaͤlt. Denn taͤuschen wollen, heißt so viel als sich taͤuschen und dennoch wissen daß man sich taͤusche, d.h. sich nicht taͤuschen.

Jst hingegen nicht die Vollkommenheit selbst sondern ihre Wuͤrkung Zweck, so kann man sich allerdings taͤuschen wollen. Ein Mensch kann sich (aus Mangel an psychologischen Kenntnissen) zwar taͤuschen, aber nicht taͤuschen wollen, daß er nach Principien der Tugend handle, wenn er bei sich weiß, daß er nach der Maxime des Jnteresses handele. Hingegen kann ein Mensch, der aus Temperament tugendhaft ist, d.h. dessen Neigungen zufaͤlligerweise mit den Gesetzen der Moral uͤbereinstimmen, sich taͤuschen wollen, daß er nicht bloß pflichtmaͤßig sondern aus Pflicht handle, weil er nicht nur vom Gegentheil sich nicht uͤberzeugen, sondern auch dadurch sich dieser Jdee immer naͤhern und den Endzweck also am besten befoͤrdern kann, und daher auch auf das, aus der Vorstellung dieser Vollkommenheit entspringende Vergnuͤgen mit Recht Anspruch machen darf. So wie ohngefaͤhr diejenigen, die nach einem bestimm-

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[49/0049] heißt, d.h. man kann nicht wollen, die Vorstellung einer Vollkommenheit an sich fuͤr die Vollkommenheit selbst zu halten, wenn die Vollkommenheit selbst der Zweck ist. Man kann sich zwar hierin taͤuschen d.h. glauben, daß man diese Vollkommenheit wuͤrklich besitze, keineswegs aber sich taͤuschen wollen, indem dieses einen Widerspruch enthaͤlt. Denn taͤuschen wollen, heißt so viel als sich taͤuschen und dennoch wissen daß man sich taͤusche, d.h. sich nicht taͤuschen. Jst hingegen nicht die Vollkommenheit selbst sondern ihre Wuͤrkung Zweck, so kann man sich allerdings taͤuschen wollen. Ein Mensch kann sich (aus Mangel an psychologischen Kenntnissen) zwar taͤuschen, aber nicht taͤuschen wollen, daß er nach Principien der Tugend handle, wenn er bei sich weiß, daß er nach der Maxime des Jnteresses handele. Hingegen kann ein Mensch, der aus Temperament tugendhaft ist, d.h. dessen Neigungen zufaͤlligerweise mit den Gesetzen der Moral uͤbereinstimmen, sich taͤuschen wollen, daß er nicht bloß pflichtmaͤßig sondern aus Pflicht handle, weil er nicht nur vom Gegentheil sich nicht uͤberzeugen, sondern auch dadurch sich dieser Jdee immer naͤhern und den Endzweck also am besten befoͤrdern kann, und daher auch auf das, aus der Vorstellung dieser Vollkommenheit entspringende Vergnuͤgen mit Recht Anspruch machen darf. So wie ohngefaͤhr diejenigen, die nach einem bestimm-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/49>, abgerufen am 19.04.2024.