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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791.

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hört bei uns einmal im eingeschränktern Maße die Folge auf, so daß auch wir alles was wir sind auf einmal sind, und unsre Ewigkeit zur immerwährenden Gegenwart wird.

Wenn sich ein Rad schnell umdreht, so macht jeder hervorragende rauhe Punkt einen Cirkel, und das Ganze bekommt ein schönes, ebenes und wohlgeordnetes Ansehen.

Bei Gott kann nicht das kleinste Bild von dem Vergangenen zurückbleiben, sonst müßte man sich eine Zeitfolge bei ihm gedenken.

Gott hat einen unendlich vollkommnern Begriff von uns als wir selbst von uns haben. Jemehr wir uns mit ihm vereinigen, desto mehr werden wir uns selbst kennen lernen.

Da wir uns dies vollkommenste Wesen denken können, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß wir dereinst genauer mit ihm vereiniget werden.

Würden wir wohl etwas verlieren, wenn wir in diesem Fall auch unser Selbst aufopfern müßten?

Abends.

Wenn bei Gott das Vergangene nicht gegenwärtig bliebe, so wäre zu wenig Wirklichkeit in der Welt. Denn alles was wir sehen hat eigentlich nur ein anscheinendes Daseyn. Dieser Tag ist


hoͤrt bei uns einmal im eingeschraͤnktern Maße die Folge auf, so daß auch wir alles was wir sind auf einmal sind, und unsre Ewigkeit zur immerwaͤhrenden Gegenwart wird.

Wenn sich ein Rad schnell umdreht, so macht jeder hervorragende rauhe Punkt einen Cirkel, und das Ganze bekommt ein schoͤnes, ebenes und wohlgeordnetes Ansehen.

Bei Gott kann nicht das kleinste Bild von dem Vergangenen zuruͤckbleiben, sonst muͤßte man sich eine Zeitfolge bei ihm gedenken.

Gott hat einen unendlich vollkommnern Begriff von uns als wir selbst von uns haben. Jemehr wir uns mit ihm vereinigen, desto mehr werden wir uns selbst kennen lernen.

Da wir uns dies vollkommenste Wesen denken koͤnnen, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß wir dereinst genauer mit ihm vereiniget werden.

Wuͤrden wir wohl etwas verlieren, wenn wir in diesem Fall auch unser Selbst aufopfern muͤßten?

Abends.

Wenn bei Gott das Vergangene nicht gegenwaͤrtig bliebe, so waͤre zu wenig Wirklichkeit in der Welt. Denn alles was wir sehen hat eigentlich nur ein anscheinendes Daseyn. Dieser Tag ist

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[69/0069] hoͤrt bei uns einmal im eingeschraͤnktern Maße die Folge auf, so daß auch wir alles was wir sind auf einmal sind, und unsre Ewigkeit zur immerwaͤhrenden Gegenwart wird. Wenn sich ein Rad schnell umdreht, so macht jeder hervorragende rauhe Punkt einen Cirkel, und das Ganze bekommt ein schoͤnes, ebenes und wohlgeordnetes Ansehen. Bei Gott kann nicht das kleinste Bild von dem Vergangenen zuruͤckbleiben, sonst muͤßte man sich eine Zeitfolge bei ihm gedenken. Gott hat einen unendlich vollkommnern Begriff von uns als wir selbst von uns haben. Jemehr wir uns mit ihm vereinigen, desto mehr werden wir uns selbst kennen lernen. Da wir uns dies vollkommenste Wesen denken koͤnnen, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß wir dereinst genauer mit ihm vereiniget werden. Wuͤrden wir wohl etwas verlieren, wenn wir in diesem Fall auch unser Selbst aufopfern muͤßten? Abends. Wenn bei Gott das Vergangene nicht gegenwaͤrtig bliebe, so waͤre zu wenig Wirklichkeit in der Welt. Denn alles was wir sehen hat eigentlich nur ein anscheinendes Daseyn. Dieser Tag ist

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/69>, abgerufen am 24.04.2024.