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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791.

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Es ist aber auch klar und unwiderlegbar, daß wir mit unsern Denkgesetzen uns von Dingen an sich, z.B. Geistern, Monaden, Göttern, Seelen, als körperlosen Wesen, keine reellen Vorstellungen machen, sondern sie bloß durch Hörensagen, vom Schulmeister, oder von der Großmutter, anfänglich ganz antropomorphistisch (siehe den Erfurter Katechismus, worin Gott im Schlafrocke und in Pantoffeln abgebildet ist) denken lernten.

Es ist demnach ein ungeheurer Vernunftschnitzer, wenn manche sonst sehr hoch gelahrte, galante und kultivirte Leute, die bei einer durch Red' und Schrift geoffenbarten Religion erzogen worden sind, öffentlich vorgeben: daß sie Gottes Daseyn durch Spekulation aus der Natur entdeckt hätten. Die Formel von Gott, die Jdee oder der Vernunftbegriff dazu, wurde ihnen durch Jnstruktion entwickelt. Jn diese leere Formel setzen sie nun einen Gott, nach ihrem Bilde und ihrer Denkart, dazu gehört aber ein starker Glaube! Es ist schlechterdings nicht möglich, die Einheit Gottes durch Spekulation zu entdecken und zu beweisen.

Die Abiponer, Huronen, Karaiben etc. haben keine Jdee von Gott, nicht einmal ein Wort in ihrer Sprache das Gott bedeutete. Es ist also bloßer leerer Formeltrug, Gottes einziges Wesen und Daseyn durch Spekulation zu entdecken.



Es ist aber auch klar und unwiderlegbar, daß wir mit unsern Denkgesetzen uns von Dingen an sich, z.B. Geistern, Monaden, Goͤttern, Seelen, als koͤrperlosen Wesen, keine reellen Vorstellungen machen, sondern sie bloß durch Hoͤrensagen, vom Schulmeister, oder von der Großmutter, anfaͤnglich ganz antropomorphistisch (siehe den Erfurter Katechismus, worin Gott im Schlafrocke und in Pantoffeln abgebildet ist) denken lernten.

Es ist demnach ein ungeheurer Vernunftschnitzer, wenn manche sonst sehr hoch gelahrte, galante und kultivirte Leute, die bei einer durch Red' und Schrift geoffenbarten Religion erzogen worden sind, oͤffentlich vorgeben: daß sie Gottes Daseyn durch Spekulation aus der Natur entdeckt haͤtten. Die Formel von Gott, die Jdee oder der Vernunftbegriff dazu, wurde ihnen durch Jnstruktion entwickelt. Jn diese leere Formel setzen sie nun einen Gott, nach ihrem Bilde und ihrer Denkart, dazu gehoͤrt aber ein starker Glaube! Es ist schlechterdings nicht moͤglich, die Einheit Gottes durch Spekulation zu entdecken und zu beweisen.

Die Abiponer, Huronen, Karaiben etc. haben keine Jdee von Gott, nicht einmal ein Wort in ihrer Sprache das Gott bedeutete. Es ist also bloßer leerer Formeltrug, Gottes einziges Wesen und Daseyn durch Spekulation zu entdecken.


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[34/0034] Es ist aber auch klar und unwiderlegbar, daß wir mit unsern Denkgesetzen uns von Dingen an sich, z.B. Geistern, Monaden, Goͤttern, Seelen, als koͤrperlosen Wesen, keine reellen Vorstellungen machen, sondern sie bloß durch Hoͤrensagen, vom Schulmeister, oder von der Großmutter, anfaͤnglich ganz antropomorphistisch (siehe den Erfurter Katechismus, worin Gott im Schlafrocke und in Pantoffeln abgebildet ist) denken lernten. Es ist demnach ein ungeheurer Vernunftschnitzer, wenn manche sonst sehr hoch gelahrte, galante und kultivirte Leute, die bei einer durch Red' und Schrift geoffenbarten Religion erzogen worden sind, oͤffentlich vorgeben: daß sie Gottes Daseyn durch Spekulation aus der Natur entdeckt haͤtten. Die Formel von Gott, die Jdee oder der Vernunftbegriff dazu, wurde ihnen durch Jnstruktion entwickelt. Jn diese leere Formel setzen sie nun einen Gott, nach ihrem Bilde und ihrer Denkart, dazu gehoͤrt aber ein starker Glaube! Es ist schlechterdings nicht moͤglich, die Einheit Gottes durch Spekulation zu entdecken und zu beweisen. Die Abiponer, Huronen, Karaiben etc. haben keine Jdee von Gott, nicht einmal ein Wort in ihrer Sprache das Gott bedeutete. Es ist also bloßer leerer Formeltrug, Gottes einziges Wesen und Daseyn durch Spekulation zu entdecken.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/34>, abgerufen am 25.04.2024.