Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite


ganz von seinen Thränen durchnäßt, und das Geschriebene fast ganz ineinander gelaufen war.

Da er nun aber auch Bestrafung fürchtete, so wollte er fast außer sich kommen, und nun, gehe es auch wie es wolle gar nicht wieder zur Schule gehen; bis dann seine Eltern dazu kamen, und ihn um die Ursach seines Weinens befrugen, denen er nun alles Vorgegangene mit Schluchzen erzählte, welche ihm aber, anstatt ihm Vorwürfe zu machen, sagten, daß er nicht klug gewesen sey, darüber zu weinen, denn kein Mensch könne das sogleich. Wie er sich denn doch aber noch immer vor Strafe in der Schule fürchtete, so versprach ihm sein Vater vorher zu dem Schulmeister hinzugehen, und ihn bei demselben zu entschuldigen; welches dann auch geschah, und er dann noch überdem, sowohl bei seinem Lehrer als bei seinen Eltern, wegen seiner großen mit Eifer verbundenen Lernbegierde Beifall erhielt, welcher ihn aber eben nicht sehr rührte, weil noch immer die Vorstellung bei ihm die Oberhand behielt, daß er das doch hätte können müssen, wenn er kein ungeschickter Mensch wäre, der niemals was Rechtes lernen würde.

Wie er aber nur erst die kleinen Buchstaben erlernt hatte, so machte er auch schon Gebrauch davon, indem er für sich selbst gleich Wörter daraus zusammensetzte, welches ihm dann auf folgende Art sehr wohl zu statten kam.



ganz von seinen Thraͤnen durchnaͤßt, und das Geschriebene fast ganz ineinander gelaufen war.

Da er nun aber auch Bestrafung fuͤrchtete, so wollte er fast außer sich kommen, und nun, gehe es auch wie es wolle gar nicht wieder zur Schule gehen; bis dann seine Eltern dazu kamen, und ihn um die Ursach seines Weinens befrugen, denen er nun alles Vorgegangene mit Schluchzen erzaͤhlte, welche ihm aber, anstatt ihm Vorwuͤrfe zu machen, sagten, daß er nicht klug gewesen sey, daruͤber zu weinen, denn kein Mensch koͤnne das sogleich. Wie er sich denn doch aber noch immer vor Strafe in der Schule fuͤrchtete, so versprach ihm sein Vater vorher zu dem Schulmeister hinzugehen, und ihn bei demselben zu entschuldigen; welches dann auch geschah, und er dann noch uͤberdem, sowohl bei seinem Lehrer als bei seinen Eltern, wegen seiner großen mit Eifer verbundenen Lernbegierde Beifall erhielt, welcher ihn aber eben nicht sehr ruͤhrte, weil noch immer die Vorstellung bei ihm die Oberhand behielt, daß er das doch haͤtte koͤnnen muͤssen, wenn er kein ungeschickter Mensch waͤre, der niemals was Rechtes lernen wuͤrde.

Wie er aber nur erst die kleinen Buchstaben erlernt hatte, so machte er auch schon Gebrauch davon, indem er fuͤr sich selbst gleich Woͤrter daraus zusammensetzte, welches ihm dann auf folgende Art sehr wohl zu statten kam.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0113" n="113"/><lb/>
ganz von seinen Thra&#x0364;nen durchna&#x0364;ßt, und das                         Geschriebene fast ganz ineinander gelaufen war. </p>
            <p>Da er nun aber auch Bestrafung fu&#x0364;rchtete, so wollte er fast außer sich                         kommen, und nun, gehe es auch wie es wolle gar nicht wieder zur Schule                         gehen; bis dann seine Eltern dazu kamen, und ihn um die Ursach seines                         Weinens befrugen, denen er nun alles Vorgegangene mit Schluchzen erza&#x0364;hlte,                         welche ihm aber, anstatt ihm Vorwu&#x0364;rfe zu machen, sagten, daß er nicht klug                         gewesen sey, daru&#x0364;ber zu weinen, denn kein Mensch ko&#x0364;nne das sogleich. Wie er                         sich denn doch aber noch immer vor Strafe in der Schule fu&#x0364;rchtete, so                         versprach ihm sein Vater vorher zu dem Schulmeister hinzugehen, und ihn bei                         demselben zu entschuldigen; welches dann auch geschah, und er dann noch                         u&#x0364;berdem, sowohl bei seinem Lehrer als bei seinen Eltern, wegen seiner großen                         mit Eifer verbundenen Lernbegierde Beifall erhielt, welcher ihn aber eben                         nicht sehr ru&#x0364;hrte, weil noch immer die Vorstellung bei ihm die Oberhand                         behielt, daß er das doch ha&#x0364;tte ko&#x0364;nnen mu&#x0364;ssen, wenn er kein ungeschickter                         Mensch wa&#x0364;re, der niemals was Rechtes lernen wu&#x0364;rde.</p>
            <p>Wie er aber nur erst die kleinen Buchstaben erlernt hatte, so machte er auch                         schon Gebrauch davon, indem er fu&#x0364;r sich selbst gleich Wo&#x0364;rter daraus                         zusammensetzte, welches ihm dann auf folgende Art sehr wohl zu statten                         kam.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0113] ganz von seinen Thraͤnen durchnaͤßt, und das Geschriebene fast ganz ineinander gelaufen war. Da er nun aber auch Bestrafung fuͤrchtete, so wollte er fast außer sich kommen, und nun, gehe es auch wie es wolle gar nicht wieder zur Schule gehen; bis dann seine Eltern dazu kamen, und ihn um die Ursach seines Weinens befrugen, denen er nun alles Vorgegangene mit Schluchzen erzaͤhlte, welche ihm aber, anstatt ihm Vorwuͤrfe zu machen, sagten, daß er nicht klug gewesen sey, daruͤber zu weinen, denn kein Mensch koͤnne das sogleich. Wie er sich denn doch aber noch immer vor Strafe in der Schule fuͤrchtete, so versprach ihm sein Vater vorher zu dem Schulmeister hinzugehen, und ihn bei demselben zu entschuldigen; welches dann auch geschah, und er dann noch uͤberdem, sowohl bei seinem Lehrer als bei seinen Eltern, wegen seiner großen mit Eifer verbundenen Lernbegierde Beifall erhielt, welcher ihn aber eben nicht sehr ruͤhrte, weil noch immer die Vorstellung bei ihm die Oberhand behielt, daß er das doch haͤtte koͤnnen muͤssen, wenn er kein ungeschickter Mensch waͤre, der niemals was Rechtes lernen wuͤrde. Wie er aber nur erst die kleinen Buchstaben erlernt hatte, so machte er auch schon Gebrauch davon, indem er fuͤr sich selbst gleich Woͤrter daraus zusammensetzte, welches ihm dann auf folgende Art sehr wohl zu statten kam.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/113
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/113>, abgerufen am 29.03.2024.