Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite


stern, besonders seinem jüngern Bruder, lächerlich macht. -- Schon aus dem bisher gesagten wird sich schließen lassen, daß er auch keine Flüchtigkeit in seinem Charakter hat. Was er angreift, dabei bleibt er, und läßt sich nicht so leicht durch äußere Gegenstände davon abbringen, selbst bei Arbeiten, die ihm anfänglich unangenehm sind, beharrt er doch, wenn er sieht, daß sie gethan seyn müssen, und er sie einmal angefangen hat. -- Die Kenntnisse, die er schon gesammelt hat, sein natürlicher Verstand und sein Ehrgeiz verleiten ihn oft zu einer schon etwas übertriebenen Disputirsucht, die, wenn sie nicht in Zeiten noch gedämpft wird, unleidlich werden kann. Denn wenn er etwas behauptet, und man ihm widerspricht, oder wenn man ihn eines Fehlers beschuldigt, den er entschuldigen zu können glaubt, so streitet er so lange dawider, bis er gewonnen zu haben meint, und wenn man ihm alsdann Recht giebt, so funkeln seine Augen vor Freude. Hingegen wird er sehr dadurch gebeugt, wenn man sich nicht in Streit mit ihm einläßt, und ihn gleich Anfangs Recht giebt, weil er dieses für Verachtung ansieht. Denn alsdann hört er plötzlich auf zu disputiren, und dies scheint auch das beste Mittel zu seyn, seine Disputirsucht zu dämpfen. -- Sein Gang und seine Stellung ist charakteristisch. Der erstere ist gewöhnlich langsam, doch nicht auffallend, und im Gegentheil kann er, wann es darauf ankommt, doch besser springen,


stern, besonders seinem juͤngern Bruder, laͤcherlich macht. — Schon aus dem bisher gesagten wird sich schließen lassen, daß er auch keine Fluͤchtigkeit in seinem Charakter hat. Was er angreift, dabei bleibt er, und laͤßt sich nicht so leicht durch aͤußere Gegenstaͤnde davon abbringen, selbst bei Arbeiten, die ihm anfaͤnglich unangenehm sind, beharrt er doch, wenn er sieht, daß sie gethan seyn muͤssen, und er sie einmal angefangen hat. — Die Kenntnisse, die er schon gesammelt hat, sein natuͤrlicher Verstand und sein Ehrgeiz verleiten ihn oft zu einer schon etwas uͤbertriebenen Disputirsucht, die, wenn sie nicht in Zeiten noch gedaͤmpft wird, unleidlich werden kann. Denn wenn er etwas behauptet, und man ihm widerspricht, oder wenn man ihn eines Fehlers beschuldigt, den er entschuldigen zu koͤnnen glaubt, so streitet er so lange dawider, bis er gewonnen zu haben meint, und wenn man ihm alsdann Recht giebt, so funkeln seine Augen vor Freude. Hingegen wird er sehr dadurch gebeugt, wenn man sich nicht in Streit mit ihm einlaͤßt, und ihn gleich Anfangs Recht giebt, weil er dieses fuͤr Verachtung ansieht. Denn alsdann hoͤrt er ploͤtzlich auf zu disputiren, und dies scheint auch das beste Mittel zu seyn, seine Disputirsucht zu daͤmpfen. — Sein Gang und seine Stellung ist charakteristisch. Der erstere ist gewoͤhnlich langsam, doch nicht auffallend, und im Gegentheil kann er, wann es darauf ankommt, doch besser springen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0094" n="94"/><lb/>
stern, besonders seinem ju&#x0364;ngern                         Bruder, la&#x0364;cherlich macht. &#x2014; Schon aus dem bisher gesagten wird sich                         schließen lassen, daß er auch keine Flu&#x0364;chtigkeit in seinem Charakter hat.                         Was er angreift, dabei bleibt er, und la&#x0364;ßt sich nicht so leicht durch a&#x0364;ußere                         Gegensta&#x0364;nde davon abbringen, selbst bei Arbeiten, die ihm anfa&#x0364;nglich                         unangenehm sind, beharrt er doch, wenn er sieht, daß sie gethan seyn mu&#x0364;ssen,                         und er sie einmal angefangen hat. &#x2014; Die Kenntnisse, die er schon gesammelt                         hat, sein natu&#x0364;rlicher Verstand und sein Ehrgeiz verleiten ihn oft zu einer                         schon etwas u&#x0364;bertriebenen Disputirsucht, die, wenn sie nicht in Zeiten noch                         geda&#x0364;mpft wird, unleidlich werden kann. Denn wenn er etwas behauptet, und man                         ihm widerspricht, oder wenn man ihn eines Fehlers beschuldigt, den er                         entschuldigen zu ko&#x0364;nnen glaubt, so streitet er so lange dawider, bis er                         gewonnen zu haben meint, und wenn man ihm alsdann Recht giebt, so funkeln                         seine Augen vor Freude. Hingegen wird er sehr dadurch gebeugt, wenn man sich                         nicht in Streit mit ihm einla&#x0364;ßt, und ihn gleich Anfangs Recht giebt, weil er                         dieses fu&#x0364;r Verachtung ansieht. Denn alsdann ho&#x0364;rt er plo&#x0364;tzlich auf zu                         disputiren, und dies scheint auch das beste Mittel zu seyn, seine                         Disputirsucht zu da&#x0364;mpfen. &#x2014; Sein Gang und seine Stellung ist                         charakteristisch. Der erstere ist gewo&#x0364;hnlich langsam, doch nicht auffallend,                         und im Gegentheil kann er, wann es darauf ankommt, doch besser springen,<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0094] stern, besonders seinem juͤngern Bruder, laͤcherlich macht. — Schon aus dem bisher gesagten wird sich schließen lassen, daß er auch keine Fluͤchtigkeit in seinem Charakter hat. Was er angreift, dabei bleibt er, und laͤßt sich nicht so leicht durch aͤußere Gegenstaͤnde davon abbringen, selbst bei Arbeiten, die ihm anfaͤnglich unangenehm sind, beharrt er doch, wenn er sieht, daß sie gethan seyn muͤssen, und er sie einmal angefangen hat. — Die Kenntnisse, die er schon gesammelt hat, sein natuͤrlicher Verstand und sein Ehrgeiz verleiten ihn oft zu einer schon etwas uͤbertriebenen Disputirsucht, die, wenn sie nicht in Zeiten noch gedaͤmpft wird, unleidlich werden kann. Denn wenn er etwas behauptet, und man ihm widerspricht, oder wenn man ihn eines Fehlers beschuldigt, den er entschuldigen zu koͤnnen glaubt, so streitet er so lange dawider, bis er gewonnen zu haben meint, und wenn man ihm alsdann Recht giebt, so funkeln seine Augen vor Freude. Hingegen wird er sehr dadurch gebeugt, wenn man sich nicht in Streit mit ihm einlaͤßt, und ihn gleich Anfangs Recht giebt, weil er dieses fuͤr Verachtung ansieht. Denn alsdann hoͤrt er ploͤtzlich auf zu disputiren, und dies scheint auch das beste Mittel zu seyn, seine Disputirsucht zu daͤmpfen. — Sein Gang und seine Stellung ist charakteristisch. Der erstere ist gewoͤhnlich langsam, doch nicht auffallend, und im Gegentheil kann er, wann es darauf ankommt, doch besser springen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/94
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/94>, abgerufen am 24.04.2024.