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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.

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7. Grundlinien zu einer Gedankenperspektive.

Wir sehen gerade durch, und die Gegenstände reihen und ordnen sich von selber.

Wir sehen das Entferntere nicht unmittelbar, sondern durch das Nähere.

Das Entferntere scheint uns nur klein, in Vergleichung mit dem Nähern -- oder, in so fern wir es uns, wie auf der Fläche eines Gemäldes, eben so nahe wie das Nähere denken; oder es mit dem Nähern gleichsam in eine Reihe stellen.

Daher kommt es, daß die Ferne zusammendrängt.

Die Gegenstände nähern sich in der Entfernung immer mehr der bloßen Jdee von den Gegenständen; das Gesicht nähert sich immer mehr der Einbildungskraft, je weiter der Gesichtskreis wird.

Daher sind wir im Stande, uns die Gegend wie ein Gemälde, und das Gemälde wie die Gegend zu denken.

Wir wandeln die Allee hinunter; das Zusammengedrängte erweitert sich, wie wir uns nach und nach ihm nähern; die Wirklichkeit tritt wieder in ihre Rechte.



7. Grundlinien zu einer Gedankenperspektive.

Wir sehen gerade durch, und die Gegenstaͤnde reihen und ordnen sich von selber.

Wir sehen das Entferntere nicht unmittelbar, sondern durch das Naͤhere.

Das Entferntere scheint uns nur klein, in Vergleichung mit dem Naͤhern — oder, in so fern wir es uns, wie auf der Flaͤche eines Gemaͤldes, eben so nahe wie das Naͤhere denken; oder es mit dem Naͤhern gleichsam in eine Reihe stellen.

Daher kommt es, daß die Ferne zusammendraͤngt.

Die Gegenstaͤnde naͤhern sich in der Entfernung immer mehr der bloßen Jdee von den Gegenstaͤnden; das Gesicht naͤhert sich immer mehr der Einbildungskraft, je weiter der Gesichtskreis wird.

Daher sind wir im Stande, uns die Gegend wie ein Gemaͤlde, und das Gemaͤlde wie die Gegend zu denken.

Wir wandeln die Allee hinunter; das Zusammengedraͤngte erweitert sich, wie wir uns nach und nach ihm naͤhern; die Wirklichkeit tritt wieder in ihre Rechte.


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[81/0081] 7. Grundlinien zu einer Gedankenperspektive. Wir sehen gerade durch, und die Gegenstaͤnde reihen und ordnen sich von selber. Wir sehen das Entferntere nicht unmittelbar, sondern durch das Naͤhere. Das Entferntere scheint uns nur klein, in Vergleichung mit dem Naͤhern — oder, in so fern wir es uns, wie auf der Flaͤche eines Gemaͤldes, eben so nahe wie das Naͤhere denken; oder es mit dem Naͤhern gleichsam in eine Reihe stellen. Daher kommt es, daß die Ferne zusammendraͤngt. Die Gegenstaͤnde naͤhern sich in der Entfernung immer mehr der bloßen Jdee von den Gegenstaͤnden; das Gesicht naͤhert sich immer mehr der Einbildungskraft, je weiter der Gesichtskreis wird. Daher sind wir im Stande, uns die Gegend wie ein Gemaͤlde, und das Gemaͤlde wie die Gegend zu denken. Wir wandeln die Allee hinunter; das Zusammengedraͤngte erweitert sich, wie wir uns nach und nach ihm naͤhern; die Wirklichkeit tritt wieder in ihre Rechte.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/81>, abgerufen am 29.03.2024.