Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite


selbst sättigen könnte, daher stößet er die Seele, die er mit diesem von ihm gegebenen Hunger zugleich zu sich ziehet, zurück, damit sie allmählich lerne, alles eigne Gesuch fahren zu lassen, und Gott in Reinigkeit zu lieben um sein selbst willen, und nicht aus Jnteresse noch Absicht auf uns. Dieser Hunger macht ein Hauptstück unserer Reinigung in dieser Welt, und ist das Reinigungsfeuer und Fegfeuer in jener Welt, für solche Seelen, die in der Unvollkommenheit abgeschieden sind, und da hier in dieser Welt die Gnadenzeit ist, sie aber solche versäumet haben, oder untreu gewesen, denen reinigenden Bewürkungen der Gnade stille zu halten, so verursachet dieser ihr Hunger und Verlangen nach etwas, das sie nicht haben können, ihnen eine solche Pein, die alles unendlich übertrift, was man davon sagen kann. Die verdammten Seelen und bösen Geister haben auch diesen Hunger, ja einen rasenden Wolfshunger, aber nicht nach Gott, sondern bloß nach einer Glückseligkeit, die sie verscherzet haben, und bis nach Endigungen der Saecula Saeculorum nicht mehr haben können, und in der Ersättigung mit Gott in der Zeit ihrer Verdammniß auch nicht haben wollen, denn sie hassen, verabscheuen und lästern Gott, und sind in einer immerwährenden Rebellion wider Gott, und fliehen vor ihm. Da aber ihre Seele die Eigenschaft, die ihr anerschaffen ist, und nimmermehr von ihr geschieden werden kann, hat, daß sie


selbst saͤttigen koͤnnte, daher stoͤßet er die Seele, die er mit diesem von ihm gegebenen Hunger zugleich zu sich ziehet, zuruͤck, damit sie allmaͤhlich lerne, alles eigne Gesuch fahren zu lassen, und Gott in Reinigkeit zu lieben um sein selbst willen, und nicht aus Jnteresse noch Absicht auf uns. Dieser Hunger macht ein Hauptstuͤck unserer Reinigung in dieser Welt, und ist das Reinigungsfeuer und Fegfeuer in jener Welt, fuͤr solche Seelen, die in der Unvollkommenheit abgeschieden sind, und da hier in dieser Welt die Gnadenzeit ist, sie aber solche versaͤumet haben, oder untreu gewesen, denen reinigenden Bewuͤrkungen der Gnade stille zu halten, so verursachet dieser ihr Hunger und Verlangen nach etwas, das sie nicht haben koͤnnen, ihnen eine solche Pein, die alles unendlich uͤbertrift, was man davon sagen kann. Die verdammten Seelen und boͤsen Geister haben auch diesen Hunger, ja einen rasenden Wolfshunger, aber nicht nach Gott, sondern bloß nach einer Gluͤckseligkeit, die sie verscherzet haben, und bis nach Endigungen der Saecula Saeculorum nicht mehr haben koͤnnen, und in der Ersaͤttigung mit Gott in der Zeit ihrer Verdammniß auch nicht haben wollen, denn sie hassen, verabscheuen und laͤstern Gott, und sind in einer immerwaͤhrenden Rebellion wider Gott, und fliehen vor ihm. Da aber ihre Seele die Eigenschaft, die ihr anerschaffen ist, und nimmermehr von ihr geschieden werden kann, hat, daß sie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0068" n="68"/><lb/>
selbst                         sa&#x0364;ttigen ko&#x0364;nnte, daher sto&#x0364;ßet er die Seele, die er mit diesem von ihm                         gegebenen Hunger zugleich zu sich ziehet, zuru&#x0364;ck, damit sie allma&#x0364;hlich                         lerne, alles eigne Gesuch fahren zu lassen, und Gott in Reinigkeit zu lieben                         um sein selbst willen, und nicht aus Jnteresse noch Absicht auf uns. Dieser                         Hunger macht ein Hauptstu&#x0364;ck unserer Reinigung in dieser Welt, und ist das                         Reinigungsfeuer und Fegfeuer in jener Welt, fu&#x0364;r solche Seelen, die in der                         Unvollkommenheit abgeschieden sind, und da hier in dieser Welt die                         Gnadenzeit ist, sie aber solche versa&#x0364;umet haben, oder untreu gewesen, denen                         reinigenden Bewu&#x0364;rkungen der Gnade stille zu halten, so verursachet dieser                         ihr Hunger und Verlangen nach etwas, das sie nicht haben ko&#x0364;nnen, ihnen eine                         solche Pein, die alles unendlich u&#x0364;bertrift, was man davon sagen kann. Die                         verdammten Seelen und bo&#x0364;sen Geister haben auch diesen Hunger, ja einen                         rasenden Wolfshunger, aber nicht nach Gott, sondern bloß nach einer                         Glu&#x0364;ckseligkeit, die sie verscherzet haben, und bis nach Endigungen der <hi rendition="#aq">Saecula Saeculorum</hi> nicht mehr haben ko&#x0364;nnen, und in                         der Ersa&#x0364;ttigung mit Gott in der Zeit ihrer Verdammniß auch nicht haben                         wollen, denn sie hassen, verabscheuen und la&#x0364;stern Gott, und sind in einer                         immerwa&#x0364;hrenden Rebellion wider Gott, und fliehen vor ihm. Da aber ihre Seele                         die Eigenschaft, die ihr anerschaffen ist, und nimmermehr von ihr geschieden                         werden kann, hat, daß sie<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0068] selbst saͤttigen koͤnnte, daher stoͤßet er die Seele, die er mit diesem von ihm gegebenen Hunger zugleich zu sich ziehet, zuruͤck, damit sie allmaͤhlich lerne, alles eigne Gesuch fahren zu lassen, und Gott in Reinigkeit zu lieben um sein selbst willen, und nicht aus Jnteresse noch Absicht auf uns. Dieser Hunger macht ein Hauptstuͤck unserer Reinigung in dieser Welt, und ist das Reinigungsfeuer und Fegfeuer in jener Welt, fuͤr solche Seelen, die in der Unvollkommenheit abgeschieden sind, und da hier in dieser Welt die Gnadenzeit ist, sie aber solche versaͤumet haben, oder untreu gewesen, denen reinigenden Bewuͤrkungen der Gnade stille zu halten, so verursachet dieser ihr Hunger und Verlangen nach etwas, das sie nicht haben koͤnnen, ihnen eine solche Pein, die alles unendlich uͤbertrift, was man davon sagen kann. Die verdammten Seelen und boͤsen Geister haben auch diesen Hunger, ja einen rasenden Wolfshunger, aber nicht nach Gott, sondern bloß nach einer Gluͤckseligkeit, die sie verscherzet haben, und bis nach Endigungen der Saecula Saeculorum nicht mehr haben koͤnnen, und in der Ersaͤttigung mit Gott in der Zeit ihrer Verdammniß auch nicht haben wollen, denn sie hassen, verabscheuen und laͤstern Gott, und sind in einer immerwaͤhrenden Rebellion wider Gott, und fliehen vor ihm. Da aber ihre Seele die Eigenschaft, die ihr anerschaffen ist, und nimmermehr von ihr geschieden werden kann, hat, daß sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/68
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/68>, abgerufen am 29.03.2024.