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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.

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Entschluß sagen ließ, zum größten Beitrag unter allen.

Bei Krankheiten seiner Eltern oder Geschwister bezeigt er so viel Besorgniß, Mitleiden und Bereitwilligkeit, so viel er kann, zu helfen, daß er dadurch ungemein liebenswürdig wird; und eben so verzeiht er auch Beleidigungen sehr schnell wieder, wenn sie ihn auch noch so aufbrachten, und ist seinem Beleidiger in einer Viertelstunde wieder herzlich gut. -- Hastigkeit besitzt er dabei sehr viel, aber sie ist blos eine Folge seines lebhaften Temperaments, und selbst auch mit Herzensgüte verbunden. Hat ihm jemand Vergnügen gemacht, oder hat er eines zu erwarten, so pauckt er für Freude auf jedermann herum, wer ihm begegnet, allein man kanns ihm nicht übel nehmen, denn man sieht die Unschuld dabei auf seinem Gesichte. Eben so verleitet ihn sein lebhaftes Temperament öfters zu einem schnellen Zorn, worin er auch Schläge austheilt, allein es ist nicht so bös gemeint, als es scheint, und wenn man ihn nicht dabei noch mehr reizt, oder wenn er sieht, daß er dadurch jemand Schaden gethan hat, so ist er plötzlich wieder gut und bereut es. -- Kühnheit und Entschlossenheit hat er sehr viel. Ein Beweis davon ist schon die oben erzählte Aeußerung bei der Geschichte Herzog Ulrichs. Wer ihn angreifen will, gegen den wehrt er sich, so lang er kann, und giebt nicht leicht gewonnen. Jch stellte mich einst, als ob ich über ihn und


Entschluß sagen ließ, zum groͤßten Beitrag unter allen.

Bei Krankheiten seiner Eltern oder Geschwister bezeigt er so viel Besorgniß, Mitleiden und Bereitwilligkeit, so viel er kann, zu helfen, daß er dadurch ungemein liebenswuͤrdig wird; und eben so verzeiht er auch Beleidigungen sehr schnell wieder, wenn sie ihn auch noch so aufbrachten, und ist seinem Beleidiger in einer Viertelstunde wieder herzlich gut. — Hastigkeit besitzt er dabei sehr viel, aber sie ist blos eine Folge seines lebhaften Temperaments, und selbst auch mit Herzensguͤte verbunden. Hat ihm jemand Vergnuͤgen gemacht, oder hat er eines zu erwarten, so pauckt er fuͤr Freude auf jedermann herum, wer ihm begegnet, allein man kanns ihm nicht uͤbel nehmen, denn man sieht die Unschuld dabei auf seinem Gesichte. Eben so verleitet ihn sein lebhaftes Temperament oͤfters zu einem schnellen Zorn, worin er auch Schlaͤge austheilt, allein es ist nicht so boͤs gemeint, als es scheint, und wenn man ihn nicht dabei noch mehr reizt, oder wenn er sieht, daß er dadurch jemand Schaden gethan hat, so ist er ploͤtzlich wieder gut und bereut es. — Kuͤhnheit und Entschlossenheit hat er sehr viel. Ein Beweis davon ist schon die oben erzaͤhlte Aeußerung bei der Geschichte Herzog Ulrichs. Wer ihn angreifen will, gegen den wehrt er sich, so lang er kann, und giebt nicht leicht gewonnen. Jch stellte mich einst, als ob ich uͤber ihn und

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[102/0102] Entschluß sagen ließ, zum groͤßten Beitrag unter allen. Bei Krankheiten seiner Eltern oder Geschwister bezeigt er so viel Besorgniß, Mitleiden und Bereitwilligkeit, so viel er kann, zu helfen, daß er dadurch ungemein liebenswuͤrdig wird; und eben so verzeiht er auch Beleidigungen sehr schnell wieder, wenn sie ihn auch noch so aufbrachten, und ist seinem Beleidiger in einer Viertelstunde wieder herzlich gut. — Hastigkeit besitzt er dabei sehr viel, aber sie ist blos eine Folge seines lebhaften Temperaments, und selbst auch mit Herzensguͤte verbunden. Hat ihm jemand Vergnuͤgen gemacht, oder hat er eines zu erwarten, so pauckt er fuͤr Freude auf jedermann herum, wer ihm begegnet, allein man kanns ihm nicht uͤbel nehmen, denn man sieht die Unschuld dabei auf seinem Gesichte. Eben so verleitet ihn sein lebhaftes Temperament oͤfters zu einem schnellen Zorn, worin er auch Schlaͤge austheilt, allein es ist nicht so boͤs gemeint, als es scheint, und wenn man ihn nicht dabei noch mehr reizt, oder wenn er sieht, daß er dadurch jemand Schaden gethan hat, so ist er ploͤtzlich wieder gut und bereut es. — Kuͤhnheit und Entschlossenheit hat er sehr viel. Ein Beweis davon ist schon die oben erzaͤhlte Aeußerung bei der Geschichte Herzog Ulrichs. Wer ihn angreifen will, gegen den wehrt er sich, so lang er kann, und giebt nicht leicht gewonnen. Jch stellte mich einst, als ob ich uͤber ihn und

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/102>, abgerufen am 28.03.2024.