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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.

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es zu sagen, wenn man es von ihm fodert. Dabei ist er offenherzig, gesteht seine Fehler, oft auch ungefragt, aufrichtig, und erlaubt sich nie eine Lüge, wo er sich schuldig findet. Bekommt er von andern etwas geschenkt, das seine Geschwister nicht haben, so theilt er im ganzen Hause davon aus, ist dabei außerordentlich geschäftig, und die gutmüthige Freude leuchtet dabei aus allen seinen Minen hervor. Wen er lieb gewonnen hat, für den ließe er Leib und Leben, und nichts freut ihn mehr, als Erzählungen von wohlthätigen Handlungen. So sagte er einst bei der Geschichte Herzog Ulrich von Würtemberg, wenn er damals ein deutscher Fürst gewesen wäre, so hätte er dem Herzog Ulrich alle seine Soldaten geschickt, er wollte den Schwäbischen Bund schon aus dem Lande hinausgejagt haben; und bei der Erzählung der Stiftung des Hallischen Waisenhauses wünschte er sich viel Geld, "um auch ein solches Haus für arme Kinder bauen zu lassen, wie der Prof. Franke." Und er ist auch wirklich, wenn es darauf ankommt, das freigebigste unter allen seinen Geschwistern. Es wurde einst eine Kollekte für arme abgebrannte Kinder bei uns gesammelt, und als nun sein Vater alle fragte, ob sie auch etwas von ihrem Taschengelde geben wollten, so war er nicht nur der erste, der Ja sagte, sondern erbot sich auch, als sein Vater sich von jedem Kind besonders, ohne daß eines mit dem andern etwas verabreden durfte, in der Stille seinen


es zu sagen, wenn man es von ihm fodert. Dabei ist er offenherzig, gesteht seine Fehler, oft auch ungefragt, aufrichtig, und erlaubt sich nie eine Luͤge, wo er sich schuldig findet. Bekommt er von andern etwas geschenkt, das seine Geschwister nicht haben, so theilt er im ganzen Hause davon aus, ist dabei außerordentlich geschaͤftig, und die gutmuͤthige Freude leuchtet dabei aus allen seinen Minen hervor. Wen er lieb gewonnen hat, fuͤr den ließe er Leib und Leben, und nichts freut ihn mehr, als Erzaͤhlungen von wohlthaͤtigen Handlungen. So sagte er einst bei der Geschichte Herzog Ulrich von Wuͤrtemberg, wenn er damals ein deutscher Fuͤrst gewesen waͤre, so haͤtte er dem Herzog Ulrich alle seine Soldaten geschickt, er wollte den Schwaͤbischen Bund schon aus dem Lande hinausgejagt haben; und bei der Erzaͤhlung der Stiftung des Hallischen Waisenhauses wuͤnschte er sich viel Geld, »um auch ein solches Haus fuͤr arme Kinder bauen zu lassen, wie der Prof. Franke.« Und er ist auch wirklich, wenn es darauf ankommt, das freigebigste unter allen seinen Geschwistern. Es wurde einst eine Kollekte fuͤr arme abgebrannte Kinder bei uns gesammelt, und als nun sein Vater alle fragte, ob sie auch etwas von ihrem Taschengelde geben wollten, so war er nicht nur der erste, der Ja sagte, sondern erbot sich auch, als sein Vater sich von jedem Kind besonders, ohne daß eines mit dem andern etwas verabreden durfte, in der Stille seinen

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[101/0101] es zu sagen, wenn man es von ihm fodert. Dabei ist er offenherzig, gesteht seine Fehler, oft auch ungefragt, aufrichtig, und erlaubt sich nie eine Luͤge, wo er sich schuldig findet. Bekommt er von andern etwas geschenkt, das seine Geschwister nicht haben, so theilt er im ganzen Hause davon aus, ist dabei außerordentlich geschaͤftig, und die gutmuͤthige Freude leuchtet dabei aus allen seinen Minen hervor. Wen er lieb gewonnen hat, fuͤr den ließe er Leib und Leben, und nichts freut ihn mehr, als Erzaͤhlungen von wohlthaͤtigen Handlungen. So sagte er einst bei der Geschichte Herzog Ulrich von Wuͤrtemberg, wenn er damals ein deutscher Fuͤrst gewesen waͤre, so haͤtte er dem Herzog Ulrich alle seine Soldaten geschickt, er wollte den Schwaͤbischen Bund schon aus dem Lande hinausgejagt haben; und bei der Erzaͤhlung der Stiftung des Hallischen Waisenhauses wuͤnschte er sich viel Geld, »um auch ein solches Haus fuͤr arme Kinder bauen zu lassen, wie der Prof. Franke.« Und er ist auch wirklich, wenn es darauf ankommt, das freigebigste unter allen seinen Geschwistern. Es wurde einst eine Kollekte fuͤr arme abgebrannte Kinder bei uns gesammelt, und als nun sein Vater alle fragte, ob sie auch etwas von ihrem Taschengelde geben wollten, so war er nicht nur der erste, der Ja sagte, sondern erbot sich auch, als sein Vater sich von jedem Kind besonders, ohne daß eines mit dem andern etwas verabreden durfte, in der Stille seinen

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/101>, abgerufen am 29.03.2024.