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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.

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Seite 18. St. 3 des 5ten Bandes kommt ein Traum vor, der vielen sehr sonderbar geschienen hat. "Der Ehemann einer jungen Dame ist verreist, sie erhält eines Abends einen Brief, daß er sich ganz wohl befinde, und bald wieder bei ihr zu seyn gedächte. Das junge Weib schläft ein, erwacht aber bald wieder mit einem kreischenden Geschrei und sagt: daß ihr Mann ermordet sey, sie habe ihn eben sterben gesehen. Sie erzählt eine Menge von Umständen, die dabei vorgefallen sind. Man sucht sie zu beruhigen; sie schläft wieder ein, wird aber von dem nehmlichen Traume noch einmahl aufgewekt, und nun bleibt sie dabei, daß ihr Mann todt sey. Die Sache hat seine Richtigkeit. Vier Monat nach ihrem Wittwenstande geht sie in die Kirche, und sieht da einen Officier, welchen sie im Traume erblikte, als sie die Vision von ihres Mannes Tode hatte, eben den Mann, der ihrem Gatten bei seinem Verscheiden noch den lezten Beistand leistete. Sie hatte das größte Verlangen diesen Mann zu sprechen, und er war es würklich, der bei dem Tode ihres Gatten zugegen gewesen war. Auch trafen alle Umstände seiner Erzählung mit ihrem Traume vollkommen überein."

Da ich mich über diesen Traum schon am angeführten Orte erklärt habe, und ihn würklich für eine Erzählung halte, wobei vielerley Umstände ausgelassen sind; so ists nicht nöthig, mich hierüber weiter auszulassen; indessen will ich doch die Erklärung des


Seite 18. St. 3 des 5ten Bandes kommt ein Traum vor, der vielen sehr sonderbar geschienen hat. »Der Ehemann einer jungen Dame ist verreist, sie erhaͤlt eines Abends einen Brief, daß er sich ganz wohl befinde, und bald wieder bei ihr zu seyn gedaͤchte. Das junge Weib schlaͤft ein, erwacht aber bald wieder mit einem kreischenden Geschrei und sagt: daß ihr Mann ermordet sey, sie habe ihn eben sterben gesehen. Sie erzaͤhlt eine Menge von Umstaͤnden, die dabei vorgefallen sind. Man sucht sie zu beruhigen; sie schlaͤft wieder ein, wird aber von dem nehmlichen Traume noch einmahl aufgewekt, und nun bleibt sie dabei, daß ihr Mann todt sey. Die Sache hat seine Richtigkeit. Vier Monat nach ihrem Wittwenstande geht sie in die Kirche, und sieht da einen Officier, welchen sie im Traume erblikte, als sie die Vision von ihres Mannes Tode hatte, eben den Mann, der ihrem Gatten bei seinem Verscheiden noch den lezten Beistand leistete. Sie hatte das groͤßte Verlangen diesen Mann zu sprechen, und er war es wuͤrklich, der bei dem Tode ihres Gatten zugegen gewesen war. Auch trafen alle Umstaͤnde seiner Erzaͤhlung mit ihrem Traume vollkommen uͤberein.«

Da ich mich uͤber diesen Traum schon am angefuͤhrten Orte erklaͤrt habe, und ihn wuͤrklich fuͤr eine Erzaͤhlung halte, wobei vielerley Umstaͤnde ausgelassen sind; so ists nicht noͤthig, mich hieruͤber weiter auszulassen; indessen will ich doch die Erklaͤrung des

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[13/0013] Seite 18. St. 3 des 5ten Bandes kommt ein Traum vor, der vielen sehr sonderbar geschienen hat. »Der Ehemann einer jungen Dame ist verreist, sie erhaͤlt eines Abends einen Brief, daß er sich ganz wohl befinde, und bald wieder bei ihr zu seyn gedaͤchte. Das junge Weib schlaͤft ein, erwacht aber bald wieder mit einem kreischenden Geschrei und sagt: daß ihr Mann ermordet sey, sie habe ihn eben sterben gesehen. Sie erzaͤhlt eine Menge von Umstaͤnden, die dabei vorgefallen sind. Man sucht sie zu beruhigen; sie schlaͤft wieder ein, wird aber von dem nehmlichen Traume noch einmahl aufgewekt, und nun bleibt sie dabei, daß ihr Mann todt sey. Die Sache hat seine Richtigkeit. Vier Monat nach ihrem Wittwenstande geht sie in die Kirche, und sieht da einen Officier, welchen sie im Traume erblikte, als sie die Vision von ihres Mannes Tode hatte, eben den Mann, der ihrem Gatten bei seinem Verscheiden noch den lezten Beistand leistete. Sie hatte das groͤßte Verlangen diesen Mann zu sprechen, und er war es wuͤrklich, der bei dem Tode ihres Gatten zugegen gewesen war. Auch trafen alle Umstaͤnde seiner Erzaͤhlung mit ihrem Traume vollkommen uͤberein.« Da ich mich uͤber diesen Traum schon am angefuͤhrten Orte erklaͤrt habe, und ihn wuͤrklich fuͤr eine Erzaͤhlung halte, wobei vielerley Umstaͤnde ausgelassen sind; so ists nicht noͤthig, mich hieruͤber weiter auszulassen; indessen will ich doch die Erklaͤrung des

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/13>, abgerufen am 25.04.2024.