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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.

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warum er das an ihr thue? aber weder die Wuth, noch die einmal gewagten argen Vorschritte, ließen ihn zurückgehn. Er giebt ihr noch einige Schläge, und da sie noch immer wimmert, nimmt er sein gewöhnliches schlechtes Taschenmesser, und giebt, wie er es erzählte, um ihr von ihrer Qual zu helfen, ihr noch einige Stiche und Schnitte, das er selbst im Dunkeln, weil das Licht ausgegangen war, nicht hätte unterscheiden können. Verläßt darauf den Keller, ungewiß, ob sie ganz todt sey, sieht auch weiter nicht nach ihr, sondern legt nur, als er wieder aus dem Hause ging, den Keller zu. Bei der Section haben sich an ihr acht Wunden, theils vom Schlag, theils vom Messer gefunden, davon zwei für schlechterdings tödlich erkannt sind, ihr Blut aber war bis sechs Schuh weit von ihr gesprungen. Auch diese umzubringen, hatte er den Vorsatz später gefaßt, und daher nichts bedrohliches sich gegen sie früher verlauten lassen. Zur Ursach hat er angegeben, weil sie ihn und seine Frau vielmals sehr arg und empfindlich geschimpft, diese auch sogar vor kurzem sehr geschlagen habe: auch der Antheil, den sie an der Verweigerung des Vorschusses hatte, den ihr Mann kurz vorher dem Erbitterten versprochen gehabt, gehört wohl mit zu diesen Ursachen."*)


*) Auch wohl die, daß er, ohne die Frau vorher auf die Seite zu schaffen, schwerlich seinen bösen Vorsatz an seinem Schwager ausüben konnte. Bei einem solchen Tumult der Leidenschaften ist es einer aufgebrachten und erbitterten Gemüthsart wohl einerlei, ob einer mehr oder weniger umgebracht wird. Man hat mehrere Beispiele, daß Mörder die unschuldigsten Kinder hinrichteten, damit sie von ihnen bei Ermordung andrer erwachsener Menschen nicht hinderlich seyn möchten. Freilich mögen die oben angegebenen Gründe Simmen wohl mit verleitet haben, sich zugleich an der Frau zu rächen, obgleich der Grad seiner Erbitterung gegen sie nicht so stark, als gegen seinen Schwager seyn mochte, indem er selbst, während der Ermordung der erstern, noch ein gewisses Mitleiden gegen sie an den Tag legte, da er sie nehmlich sobald als möglich von ihrer Qual zu befreien wünschte. P.


warum er das an ihr thue? aber weder die Wuth, noch die einmal gewagten argen Vorschritte, ließen ihn zuruͤckgehn. Er giebt ihr noch einige Schlaͤge, und da sie noch immer wimmert, nimmt er sein gewoͤhnliches schlechtes Taschenmesser, und giebt, wie er es erzaͤhlte, um ihr von ihrer Qual zu helfen, ihr noch einige Stiche und Schnitte, das er selbst im Dunkeln, weil das Licht ausgegangen war, nicht haͤtte unterscheiden koͤnnen. Verlaͤßt darauf den Keller, ungewiß, ob sie ganz todt sey, sieht auch weiter nicht nach ihr, sondern legt nur, als er wieder aus dem Hause ging, den Keller zu. Bei der Section haben sich an ihr acht Wunden, theils vom Schlag, theils vom Messer gefunden, davon zwei fuͤr schlechterdings toͤdlich erkannt sind, ihr Blut aber war bis sechs Schuh weit von ihr gesprungen. Auch diese umzubringen, hatte er den Vorsatz spaͤter gefaßt, und daher nichts bedrohliches sich gegen sie fruͤher verlauten lassen. Zur Ursach hat er angegeben, weil sie ihn und seine Frau vielmals sehr arg und empfindlich geschimpft, diese auch sogar vor kurzem sehr geschlagen habe: auch der Antheil, den sie an der Verweigerung des Vorschusses hatte, den ihr Mann kurz vorher dem Erbitterten versprochen gehabt, gehoͤrt wohl mit zu diesen Ursachen.«*)


*) Auch wohl die, daß er, ohne die Frau vorher auf die Seite zu schaffen, schwerlich seinen boͤsen Vorsatz an seinem Schwager ausuͤben konnte. Bei einem solchen Tumult der Leidenschaften ist es einer aufgebrachten und erbitterten Gemuͤthsart wohl einerlei, ob einer mehr oder weniger umgebracht wird. Man hat mehrere Beispiele, daß Moͤrder die unschuldigsten Kinder hinrichteten, damit sie von ihnen bei Ermordung andrer erwachsener Menschen nicht hinderlich seyn moͤchten. Freilich moͤgen die oben angegebenen Gruͤnde Simmen wohl mit verleitet haben, sich zugleich an der Frau zu raͤchen, obgleich der Grad seiner Erbitterung gegen sie nicht so stark, als gegen seinen Schwager seyn mochte, indem er selbst, waͤhrend der Ermordung der erstern, noch ein gewisses Mitleiden gegen sie an den Tag legte, da er sie nehmlich sobald als moͤglich von ihrer Qual zu befreien wuͤnschte. P.
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[45/0047] warum er das an ihr thue? aber weder die Wuth, noch die einmal gewagten argen Vorschritte, ließen ihn zuruͤckgehn. Er giebt ihr noch einige Schlaͤge, und da sie noch immer wimmert, nimmt er sein gewoͤhnliches schlechtes Taschenmesser, und giebt, wie er es erzaͤhlte, um ihr von ihrer Qual zu helfen, ihr noch einige Stiche und Schnitte, das er selbst im Dunkeln, weil das Licht ausgegangen war, nicht haͤtte unterscheiden koͤnnen. Verlaͤßt darauf den Keller, ungewiß, ob sie ganz todt sey, sieht auch weiter nicht nach ihr, sondern legt nur, als er wieder aus dem Hause ging, den Keller zu. Bei der Section haben sich an ihr acht Wunden, theils vom Schlag, theils vom Messer gefunden, davon zwei fuͤr schlechterdings toͤdlich erkannt sind, ihr Blut aber war bis sechs Schuh weit von ihr gesprungen. Auch diese umzubringen, hatte er den Vorsatz spaͤter gefaßt, und daher nichts bedrohliches sich gegen sie fruͤher verlauten lassen. Zur Ursach hat er angegeben, weil sie ihn und seine Frau vielmals sehr arg und empfindlich geschimpft, diese auch sogar vor kurzem sehr geschlagen habe: auch der Antheil, den sie an der Verweigerung des Vorschusses hatte, den ihr Mann kurz vorher dem Erbitterten versprochen gehabt, gehoͤrt wohl mit zu diesen Ursachen.«*) *) Auch wohl die, daß er, ohne die Frau vorher auf die Seite zu schaffen, schwerlich seinen boͤsen Vorsatz an seinem Schwager ausuͤben konnte. Bei einem solchen Tumult der Leidenschaften ist es einer aufgebrachten und erbitterten Gemuͤthsart wohl einerlei, ob einer mehr oder weniger umgebracht wird. Man hat mehrere Beispiele, daß Moͤrder die unschuldigsten Kinder hinrichteten, damit sie von ihnen bei Ermordung andrer erwachsener Menschen nicht hinderlich seyn moͤchten. Freilich moͤgen die oben angegebenen Gruͤnde Simmen wohl mit verleitet haben, sich zugleich an der Frau zu raͤchen, obgleich der Grad seiner Erbitterung gegen sie nicht so stark, als gegen seinen Schwager seyn mochte, indem er selbst, waͤhrend der Ermordung der erstern, noch ein gewisses Mitleiden gegen sie an den Tag legte, da er sie nehmlich sobald als moͤglich von ihrer Qual zu befreien wuͤnschte. P.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/47>, abgerufen am 28.03.2024.