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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.

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ihre beiden Kinder zu ersäufen. Sie nahm das kleine auf den Arm, führte die Tochter an der Hand zum Hause hinaus, ließ, da sie an die Donau kam, das Mädchen niederknien und beten, bat das Mädchen, Gott zu bitten, daß sie einen rechten Tod sterben, und nicht auf gleiche Art umkommen möchte, machte mit derselben zweimal Reue und Leid, band das kleine Kind der Tochter in die Arme, das Mädchen küßte das kleine Kind mit den Worten: "Liebes Brüder'l, nun müssen wir sterben." Die Mutter machte beiden das Kreutz, sagte zu der Tochter: laß fein dein Brüderlein nicht von dir, und warf beide in die Donau.

Sie sah ihnen nach, und machte beiden das Kreutz. Verzweifelnd sah' sie, daß beide Kinder voneinander waren, um nicht selbst ins Wasser zu springen, sah sie sich nicht weiter um.

Nun zog sie ihre Schuhe aus, ging schnell fort, und betete gehend, aber über ihre Unthat beruhigt, weil sie glaubte, ein Gott gefälliges Werk gethan zu haben, weil ihr Mann ihr immer mit dem Umbringen gedrohet, und sie ein übles Schiksal ihrer Kinder befürchtet habe. Sie ging gerad in die Fronfeste. Sie erzählte da ihre That, und bat, verwahret zu werden. Alle ihre Aussagen liefen dahinaus, daß sie ihre


ihre beiden Kinder zu ersaͤufen. Sie nahm das kleine auf den Arm, fuͤhrte die Tochter an der Hand zum Hause hinaus, ließ, da sie an die Donau kam, das Maͤdchen niederknien und beten, bat das Maͤdchen, Gott zu bitten, daß sie einen rechten Tod sterben, und nicht auf gleiche Art umkommen moͤchte, machte mit derselben zweimal Reue und Leid, band das kleine Kind der Tochter in die Arme, das Maͤdchen kuͤßte das kleine Kind mit den Worten: »Liebes Bruͤder'l, nun muͤssen wir sterben.« Die Mutter machte beiden das Kreutz, sagte zu der Tochter: laß fein dein Bruͤderlein nicht von dir, und warf beide in die Donau.

Sie sah ihnen nach, und machte beiden das Kreutz. Verzweifelnd sah' sie, daß beide Kinder voneinander waren, um nicht selbst ins Wasser zu springen, sah sie sich nicht weiter um.

Nun zog sie ihre Schuhe aus, ging schnell fort, und betete gehend, aber uͤber ihre Unthat beruhigt, weil sie glaubte, ein Gott gefaͤlliges Werk gethan zu haben, weil ihr Mann ihr immer mit dem Umbringen gedrohet, und sie ein uͤbles Schiksal ihrer Kinder befuͤrchtet habe. Sie ging gerad in die Fronfeste. Sie erzaͤhlte da ihre That, und bat, verwahret zu werden. Alle ihre Aussagen liefen dahinaus, daß sie ihre

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[50/0050] ihre beiden Kinder zu ersaͤufen. Sie nahm das kleine auf den Arm, fuͤhrte die Tochter an der Hand zum Hause hinaus, ließ, da sie an die Donau kam, das Maͤdchen niederknien und beten, bat das Maͤdchen, Gott zu bitten, daß sie einen rechten Tod sterben, und nicht auf gleiche Art umkommen moͤchte, machte mit derselben zweimal Reue und Leid, band das kleine Kind der Tochter in die Arme, das Maͤdchen kuͤßte das kleine Kind mit den Worten: »Liebes Bruͤder'l, nun muͤssen wir sterben.« Die Mutter machte beiden das Kreutz, sagte zu der Tochter: laß fein dein Bruͤderlein nicht von dir, und warf beide in die Donau. Sie sah ihnen nach, und machte beiden das Kreutz. Verzweifelnd sah' sie, daß beide Kinder voneinander waren, um nicht selbst ins Wasser zu springen, sah sie sich nicht weiter um. Nun zog sie ihre Schuhe aus, ging schnell fort, und betete gehend, aber uͤber ihre Unthat beruhigt, weil sie glaubte, ein Gott gefaͤlliges Werk gethan zu haben, weil ihr Mann ihr immer mit dem Umbringen gedrohet, und sie ein uͤbles Schiksal ihrer Kinder befuͤrchtet habe. Sie ging gerad in die Fronfeste. Sie erzaͤhlte da ihre That, und bat, verwahret zu werden. Alle ihre Aussagen liefen dahinaus, daß sie ihre

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/50>, abgerufen am 29.03.2024.