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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.

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bes noch durch dessen und des H--schen Kindes ängstliches Schreien sich abwendig machen lassen, lauter solche Umstände sind, wodurch die Schwere des Jnquisiten Verbrechens mehr erhöhet als verringert wird." -- --


c) Eben so auffallend ist folgendes Beispiel von einem kalten Ueberdruß des Lebens.

Ewa Margretha K-- 23 Jahr alt wurde wegen verschiedener Verbrechen im Sept. vorigen Jahres (1755) in das Zuchthaus nach Onolzbach gebracht. Man empfing sie gewöhnlich wie die Züchtlinge mit einer Peitsche, und einer von den Streichen verlezte ihre rechte Brust. Diese Behandlung machte den tiefsten Eindruck auf benannte Weibesperson, und sie fing an, lieber den Tod zu wünschen als ein solches Leben zu führen. Um aber desto eher zu Erfüllung ihres Wunsches zu gelangen, fiel sie auf den schreklichen Gedanken einen Mord zu begehen, damit ihr auch sodann das Leben genommen werden, und auf solche Art Zeit gewinnen möchte ihre Sünden zu bereuen, und bei Gott Gnade zu erlangen, welche sonst durch Handanlegung an sich selbst verlohren gehen möchte. (Man sieht hieraus deutlich, daß die meisten Mörder, die andre umbringen, um sich dadurch selbst aus der Welt zu schaffen, aus einer mißverstandenen Religiosität lieber Hand an andre legen). Sie praemeditirte geflissentlich den


bes noch durch dessen und des H—schen Kindes aͤngstliches Schreien sich abwendig machen lassen, lauter solche Umstaͤnde sind, wodurch die Schwere des Jnquisiten Verbrechens mehr erhoͤhet als verringert wird.« — —


c) Eben so auffallend ist folgendes Beispiel von einem kalten Ueberdruß des Lebens.

Ewa Margretha K— 23 Jahr alt wurde wegen verschiedener Verbrechen im Sept. vorigen Jahres (1755) in das Zuchthaus nach Onolzbach gebracht. Man empfing sie gewoͤhnlich wie die Zuͤchtlinge mit einer Peitsche, und einer von den Streichen verlezte ihre rechte Brust. Diese Behandlung machte den tiefsten Eindruck auf benannte Weibesperson, und sie fing an, lieber den Tod zu wuͤnschen als ein solches Leben zu fuͤhren. Um aber desto eher zu Erfuͤllung ihres Wunsches zu gelangen, fiel sie auf den schreklichen Gedanken einen Mord zu begehen, damit ihr auch sodann das Leben genommen werden, und auf solche Art Zeit gewinnen moͤchte ihre Suͤnden zu bereuen, und bei Gott Gnade zu erlangen, welche sonst durch Handanlegung an sich selbst verlohren gehen moͤchte. (Man sieht hieraus deutlich, daß die meisten Moͤrder, die andre umbringen, um sich dadurch selbst aus der Welt zu schaffen, aus einer mißverstandenen Religiositaͤt lieber Hand an andre legen). Sie praemeditirte geflissentlich den

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[35/0035] bes noch durch dessen und des H—schen Kindes aͤngstliches Schreien sich abwendig machen lassen, lauter solche Umstaͤnde sind, wodurch die Schwere des Jnquisiten Verbrechens mehr erhoͤhet als verringert wird.« — — c) Eben so auffallend ist folgendes Beispiel von einem kalten Ueberdruß des Lebens. Ewa Margretha K— 23 Jahr alt wurde wegen verschiedener Verbrechen im Sept. vorigen Jahres (1755) in das Zuchthaus nach Onolzbach gebracht. Man empfing sie gewoͤhnlich wie die Zuͤchtlinge mit einer Peitsche, und einer von den Streichen verlezte ihre rechte Brust. Diese Behandlung machte den tiefsten Eindruck auf benannte Weibesperson, und sie fing an, lieber den Tod zu wuͤnschen als ein solches Leben zu fuͤhren. Um aber desto eher zu Erfuͤllung ihres Wunsches zu gelangen, fiel sie auf den schreklichen Gedanken einen Mord zu begehen, damit ihr auch sodann das Leben genommen werden, und auf solche Art Zeit gewinnen moͤchte ihre Suͤnden zu bereuen, und bei Gott Gnade zu erlangen, welche sonst durch Handanlegung an sich selbst verlohren gehen moͤchte. (Man sieht hieraus deutlich, daß die meisten Moͤrder, die andre umbringen, um sich dadurch selbst aus der Welt zu schaffen, aus einer mißverstandenen Religiositaͤt lieber Hand an andre legen). Sie praemeditirte geflissentlich den

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/35>, abgerufen am 23.04.2024.