Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite


Fenster in den Garten. Zum Unglük konnten die Männer, welche dieses in der Stube hörten, weder durch die verriegelte Schlafkammer noch durch den Hausgang, wovon der Schlüssel verlegt war, ihm sogleich nacheilen, und ihre nachherigen Nachforschungen waren leider vergeblich. Erst Freitags gegen Mittag fand man seinen Leichnam ohnweit A... in einem kleinen Bache, auf dem Rücken liegend, die Mütze über das Gesicht gezogen und die Hände auf die Brust zusammengeschlagen, seine Miene war nicht verstellt, und schien zufriedener als in den lezten traurigen Tagen seines Lebens. Man fand in der Gegend am Bache verschiedene Spuren, daß er schon im Wasser gewesen und wieder herausgegangen war, vermuthlich weil es ihm nicht tief genug zu seyn schien, bis er endlich, weil ers nicht tiefer antraf, sich wie in ein Bette auf den Rücken hinein legte und so ertrank. Er ward am folgenden Montage öffentlich unter einer großen Leichenversammlung begraben. Der reformirte Prediger aus R.. hielt ihm die Leichenpredigt über die gutgewählten Worte Christi: Vater vergieb ihnen, denn sie wissen nicht was sie thun. Journ. v. u. f. D. 9. St. 87.


b) Eines 72jährigen blinden Predigers.

Visitationsschein. Es war der 16te October Morgens nach 2 Uhr 1764 als vom Churfürstl. Sächsis.


Fenster in den Garten. Zum Ungluͤk konnten die Maͤnner, welche dieses in der Stube hoͤrten, weder durch die verriegelte Schlafkammer noch durch den Hausgang, wovon der Schluͤssel verlegt war, ihm sogleich nacheilen, und ihre nachherigen Nachforschungen waren leider vergeblich. Erst Freitags gegen Mittag fand man seinen Leichnam ohnweit A... in einem kleinen Bache, auf dem Ruͤcken liegend, die Muͤtze uͤber das Gesicht gezogen und die Haͤnde auf die Brust zusammengeschlagen, seine Miene war nicht verstellt, und schien zufriedener als in den lezten traurigen Tagen seines Lebens. Man fand in der Gegend am Bache verschiedene Spuren, daß er schon im Wasser gewesen und wieder herausgegangen war, vermuthlich weil es ihm nicht tief genug zu seyn schien, bis er endlich, weil ers nicht tiefer antraf, sich wie in ein Bette auf den Ruͤcken hinein legte und so ertrank. Er ward am folgenden Montage oͤffentlich unter einer großen Leichenversammlung begraben. Der reformirte Prediger aus R.. hielt ihm die Leichenpredigt uͤber die gutgewaͤhlten Worte Christi: Vater vergieb ihnen, denn sie wissen nicht was sie thun. Journ. v. u. f. D. 9. St. 87.


b) Eines 72jaͤhrigen blinden Predigers.

Visitationsschein. Es war der 16te October Morgens nach 2 Uhr 1764 als vom Churfuͤrstl. Saͤchsis.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0024" n="24"/><lb/>
Fenster <choice><corr>in den</corr><sic>in</sic></choice> Garten. Zum Unglu&#x0364;k konnten die Ma&#x0364;nner, welche dieses                         in der Stube ho&#x0364;rten, weder durch die verriegelte Schlafkammer noch durch den                         Hausgang, wovon der Schlu&#x0364;ssel verlegt war, ihm sogleich nacheilen, und ihre                         nachherigen Nachforschungen waren leider vergeblich. Erst Freitags gegen                         Mittag fand man seinen Leichnam ohnweit A... in einem kleinen Bache, auf dem                         Ru&#x0364;cken liegend, die Mu&#x0364;tze u&#x0364;ber das Gesicht gezogen und die Ha&#x0364;nde auf die                         Brust zusammengeschlagen, seine Miene war nicht verstellt, und schien                         zufriedener als in den lezten traurigen Tagen seines Lebens. Man fand in der                         Gegend am Bache verschiedene Spuren, daß er schon im Wasser gewesen und                         wieder herausgegangen war, vermuthlich weil es ihm nicht tief genug zu seyn                         schien, bis er endlich, weil ers nicht tiefer antraf, sich wie in ein Bette                         auf den Ru&#x0364;cken hinein legte und so ertrank. Er ward am folgenden Montage                         o&#x0364;ffentlich unter einer großen Leichenversammlung begraben. Der reformirte                         Prediger aus R.. hielt ihm die Leichenpredigt u&#x0364;ber die gutgewa&#x0364;hlten Worte                         Christi: Vater vergieb ihnen, denn sie wissen nicht was sie thun. Journ. v.                         u. f. <choice><corr>D.</corr><sic>d.</sic></choice> 9. St.                         87.</p>
            </div>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="4">
              <head>b) Eines 72ja&#x0364;hrigen blinden Predigers.</head><lb/>
              <p>Visitationsschein. Es war der 16te October Morgens nach 2                         Uhr 1764 als vom Churfu&#x0364;rstl. Sa&#x0364;chsis.<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0024] Fenster in den Garten. Zum Ungluͤk konnten die Maͤnner, welche dieses in der Stube hoͤrten, weder durch die verriegelte Schlafkammer noch durch den Hausgang, wovon der Schluͤssel verlegt war, ihm sogleich nacheilen, und ihre nachherigen Nachforschungen waren leider vergeblich. Erst Freitags gegen Mittag fand man seinen Leichnam ohnweit A... in einem kleinen Bache, auf dem Ruͤcken liegend, die Muͤtze uͤber das Gesicht gezogen und die Haͤnde auf die Brust zusammengeschlagen, seine Miene war nicht verstellt, und schien zufriedener als in den lezten traurigen Tagen seines Lebens. Man fand in der Gegend am Bache verschiedene Spuren, daß er schon im Wasser gewesen und wieder herausgegangen war, vermuthlich weil es ihm nicht tief genug zu seyn schien, bis er endlich, weil ers nicht tiefer antraf, sich wie in ein Bette auf den Ruͤcken hinein legte und so ertrank. Er ward am folgenden Montage oͤffentlich unter einer großen Leichenversammlung begraben. Der reformirte Prediger aus R.. hielt ihm die Leichenpredigt uͤber die gutgewaͤhlten Worte Christi: Vater vergieb ihnen, denn sie wissen nicht was sie thun. Journ. v. u. f. D. 9. St. 87. b) Eines 72jaͤhrigen blinden Predigers. Visitationsschein. Es war der 16te October Morgens nach 2 Uhr 1764 als vom Churfuͤrstl. Saͤchsis.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/24
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/24>, abgerufen am 28.03.2024.