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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788.

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Zur Seelenkrankheitskunde.
1. Aehnlicher Fall zu der im zweiten Stück des fünften Bandes erzählten sonderbaren Ohnmacht.

Ein verheirathetes, älteres, nervenschwaches Frauenzimmer unsrer Stadt, lag am Faulfieber krank. Da die Krankheit am heftigsten war, verlor sie Nachts um zwölf Uhr die Empfindung. Der Arzt fand, als er kam, sie völlig empfindungslos, nur daß die Pulsadern noch immer, wie am Abend, schlugen, und die Augen nicht ganz geschlossen waren. Alle Reizungsmittel, selbst heftiges Bürsten unter den Fußsohlen, vermogten keine Bewegung hervorzubringen. Die Umstehenden, welche wider die Versicherung des Arztes glaubten, daß sie nicht wieder erwachen würde, liessen ihr die letzte Oelung geben. Gegen vier Uhr erwachte sie. Sie hatte alles, was mit ihr vorgenommen worden war, deutlich empfunden; was in ziemlicher Entfernung vom Bette, und nicht laut war ge-


Zur Seelenkrankheitskunde.
1. Aehnlicher Fall zu der im zweiten Stuͤck des fuͤnften Bandes erzaͤhlten sonderbaren Ohnmacht.

Ein verheirathetes, aͤlteres, nervenschwaches Frauenzimmer unsrer Stadt, lag am Faulfieber krank. Da die Krankheit am heftigsten war, verlor sie Nachts um zwoͤlf Uhr die Empfindung. Der Arzt fand, als er kam, sie voͤllig empfindungslos, nur daß die Pulsadern noch immer, wie am Abend, schlugen, und die Augen nicht ganz geschlossen waren. Alle Reizungsmittel, selbst heftiges Buͤrsten unter den Fußsohlen, vermogten keine Bewegung hervorzubringen. Die Umstehenden, welche wider die Versicherung des Arztes glaubten, daß sie nicht wieder erwachen wuͤrde, liessen ihr die letzte Oelung geben. Gegen vier Uhr erwachte sie. Sie hatte alles, was mit ihr vorgenommen worden war, deutlich empfunden; was in ziemlicher Entfernung vom Bette, und nicht laut war ge-

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[19/0019] Zur Seelenkrankheitskunde. 1. Aehnlicher Fall zu der im zweiten Stuͤck des fuͤnften Bandes erzaͤhlten sonderbaren Ohnmacht. Ein verheirathetes, aͤlteres, nervenschwaches Frauenzimmer unsrer Stadt, lag am Faulfieber krank. Da die Krankheit am heftigsten war, verlor sie Nachts um zwoͤlf Uhr die Empfindung. Der Arzt fand, als er kam, sie voͤllig empfindungslos, nur daß die Pulsadern noch immer, wie am Abend, schlugen, und die Augen nicht ganz geschlossen waren. Alle Reizungsmittel, selbst heftiges Buͤrsten unter den Fußsohlen, vermogten keine Bewegung hervorzubringen. Die Umstehenden, welche wider die Versicherung des Arztes glaubten, daß sie nicht wieder erwachen wuͤrde, liessen ihr die letzte Oelung geben. Gegen vier Uhr erwachte sie. Sie hatte alles, was mit ihr vorgenommen worden war, deutlich empfunden; was in ziemlicher Entfernung vom Bette, und nicht laut war ge-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/19>, abgerufen am 25.04.2024.