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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788.

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lich eine Menge sehr empfindlicher Nerven vereinigen). Jch kenne jemand, der noch eine andre sonderbare Empfindung an seinen Fingern wahrnimmt. Wenn er sich zu Bette gelegt hat, scheinen sie ihm oft auf einmal anzuschwellen, und zwar mit einem heftigen Schmerz, und endlich eine solche ungeheure Länge zu bekommen, daß er sich, um sich von dieser Empfindung zu befreien, schnell aus dem Bette machen, und sich wieder ganz ermuntern muß.

Die Erscheinung der blauen Figur im Keller erklärt der Herr Einsender selbst ganz richtig dadurch, daß durch die Bewegung des Auges aus dem hellesten Tageslicht in einen dunkeln Ort im Sehnerven eine Veränderung der Farben bewürkt worden sey, und die Phantasie das Bild vollends ausgemahlt habe. Vielleicht hatten mehrere Menschen von langen Zeiten her auch einmal wegen Beschaffenheit der dortigen Luft und andrer Localumstände die nämliche Empfindung gehabt, und dadurch war dann der Volksglaube entstanden, daß sich in der Gegend eine blaue Figur sehn ließe.

Das bekannte Feuersprechen ist nichts weiter, als ein alberner Volksaberglaube, und die Facta, die man gemeiniglich davon erzählt, sind entweder ersonnen, oder das Feuer hat sich durch einen andern Umstand, aber wahrlich nicht durch das so genannte Besprechen, gelegt. Ein Landesherr sollte


lich eine Menge sehr empfindlicher Nerven vereinigen). Jch kenne jemand, der noch eine andre sonderbare Empfindung an seinen Fingern wahrnimmt. Wenn er sich zu Bette gelegt hat, scheinen sie ihm oft auf einmal anzuschwellen, und zwar mit einem heftigen Schmerz, und endlich eine solche ungeheure Laͤnge zu bekommen, daß er sich, um sich von dieser Empfindung zu befreien, schnell aus dem Bette machen, und sich wieder ganz ermuntern muß.

Die Erscheinung der blauen Figur im Keller erklaͤrt der Herr Einsender selbst ganz richtig dadurch, daß durch die Bewegung des Auges aus dem hellesten Tageslicht in einen dunkeln Ort im Sehnerven eine Veraͤnderung der Farben bewuͤrkt worden sey, und die Phantasie das Bild vollends ausgemahlt habe. Vielleicht hatten mehrere Menschen von langen Zeiten her auch einmal wegen Beschaffenheit der dortigen Luft und andrer Localumstaͤnde die naͤmliche Empfindung gehabt, und dadurch war dann der Volksglaube entstanden, daß sich in der Gegend eine blaue Figur sehn ließe.

Das bekannte Feuersprechen ist nichts weiter, als ein alberner Volksaberglaube, und die Facta, die man gemeiniglich davon erzaͤhlt, sind entweder ersonnen, oder das Feuer hat sich durch einen andern Umstand, aber wahrlich nicht durch das so genannte Besprechen, gelegt. Ein Landesherr sollte

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[10/0010] lich eine Menge sehr empfindlicher Nerven vereinigen). Jch kenne jemand, der noch eine andre sonderbare Empfindung an seinen Fingern wahrnimmt. Wenn er sich zu Bette gelegt hat, scheinen sie ihm oft auf einmal anzuschwellen, und zwar mit einem heftigen Schmerz, und endlich eine solche ungeheure Laͤnge zu bekommen, daß er sich, um sich von dieser Empfindung zu befreien, schnell aus dem Bette machen, und sich wieder ganz ermuntern muß. Die Erscheinung der blauen Figur im Keller erklaͤrt der Herr Einsender selbst ganz richtig dadurch, daß durch die Bewegung des Auges aus dem hellesten Tageslicht in einen dunkeln Ort im Sehnerven eine Veraͤnderung der Farben bewuͤrkt worden sey, und die Phantasie das Bild vollends ausgemahlt habe. Vielleicht hatten mehrere Menschen von langen Zeiten her auch einmal wegen Beschaffenheit der dortigen Luft und andrer Localumstaͤnde die naͤmliche Empfindung gehabt, und dadurch war dann der Volksglaube entstanden, daß sich in der Gegend eine blaue Figur sehn ließe. Das bekannte Feuersprechen ist nichts weiter, als ein alberner Volksaberglaube, und die Facta, die man gemeiniglich davon erzaͤhlt, sind entweder ersonnen, oder das Feuer hat sich durch einen andern Umstand, aber wahrlich nicht durch das so genannte Besprechen, gelegt. Ein Landesherr sollte

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/10>, abgerufen am 29.03.2024.