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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.

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indem, wie wir sehen, jene Riesenschritte der Erfindungen und jene Kühnheiten der stolzesten Menschenseele, großen Theils auf der so leichten, so leise entschlüpfenden Täuschung beruhen, daß wir unser denkendes Subject mit dem gedachten Gegenstande, die Jdee mit der Sache vermengen.

Noch muß ich anmerken, daß die oben bemerkten Grade der Schwärmerey, Enthusiasmus, Fantasterey und Fanatismus durch einen sehr feinen Organismus zusammenhängen, und wie electrische Funken, wenn leichtere Jdeen nicht ins Mittel treten, sich eins an dem andern entzünden. Lasset den enthusiastischen Schwärmer für seine weit aussehende Entwürfe erwünschten Fortgang finden, und widersetzet euch ihm in Kleinigkeiten, und ihr werdet sehen, wie er selbst auf Kosten der Vernunft darauf bestehen, und aus einem in himmelweiten sehenden Enthusiasten ein engherziger Fantast werden wird. Mischet in seinen Character, wie dies immer so verträglich mit dergleichen Character ist, Ehrgeitz und Herrschsucht, und der schwarze Fanatismus lauert mit seinem ganzen Gefolge im Hinterhalte.

Wir sind jetzt, glaub ich, ziemlich vorbereitet zu einem vollständigen Begriff von der im eigentlichsten Sinn also genannter Schwärmerey, dem Jdeal unseres Jahrhunderts, welches, wie jedes andere, gemeiniglich unzählige Verehrer und Anbeter von der einen, und heimliche Belacher von der andern Seite hat.



indem, wie wir sehen, jene Riesenschritte der Erfindungen und jene Kuͤhnheiten der stolzesten Menschenseele, großen Theils auf der so leichten, so leise entschluͤpfenden Taͤuschung beruhen, daß wir unser denkendes Subject mit dem gedachten Gegenstande, die Jdee mit der Sache vermengen.

Noch muß ich anmerken, daß die oben bemerkten Grade der Schwaͤrmerey, Enthusiasmus, Fantasterey und Fanatismus durch einen sehr feinen Organismus zusammenhaͤngen, und wie electrische Funken, wenn leichtere Jdeen nicht ins Mittel treten, sich eins an dem andern entzuͤnden. Lasset den enthusiastischen Schwaͤrmer fuͤr seine weit aussehende Entwuͤrfe erwuͤnschten Fortgang finden, und widersetzet euch ihm in Kleinigkeiten, und ihr werdet sehen, wie er selbst auf Kosten der Vernunft darauf bestehen, und aus einem in himmelweiten sehenden Enthusiasten ein engherziger Fantast werden wird. Mischet in seinen Character, wie dies immer so vertraͤglich mit dergleichen Character ist, Ehrgeitz und Herrschsucht, und der schwarze Fanatismus lauert mit seinem ganzen Gefolge im Hinterhalte.

Wir sind jetzt, glaub ich, ziemlich vorbereitet zu einem vollstaͤndigen Begriff von der im eigentlichsten Sinn also genannter Schwaͤrmerey, dem Jdeal unseres Jahrhunderts, welches, wie jedes andere, gemeiniglich unzaͤhlige Verehrer und Anbeter von der einen, und heimliche Belacher von der andern Seite hat.


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[34/0034] indem, wie wir sehen, jene Riesenschritte der Erfindungen und jene Kuͤhnheiten der stolzesten Menschenseele, großen Theils auf der so leichten, so leise entschluͤpfenden Taͤuschung beruhen, daß wir unser denkendes Subject mit dem gedachten Gegenstande, die Jdee mit der Sache vermengen. Noch muß ich anmerken, daß die oben bemerkten Grade der Schwaͤrmerey, Enthusiasmus, Fantasterey und Fanatismus durch einen sehr feinen Organismus zusammenhaͤngen, und wie electrische Funken, wenn leichtere Jdeen nicht ins Mittel treten, sich eins an dem andern entzuͤnden. Lasset den enthusiastischen Schwaͤrmer fuͤr seine weit aussehende Entwuͤrfe erwuͤnschten Fortgang finden, und widersetzet euch ihm in Kleinigkeiten, und ihr werdet sehen, wie er selbst auf Kosten der Vernunft darauf bestehen, und aus einem in himmelweiten sehenden Enthusiasten ein engherziger Fantast werden wird. Mischet in seinen Character, wie dies immer so vertraͤglich mit dergleichen Character ist, Ehrgeitz und Herrschsucht, und der schwarze Fanatismus lauert mit seinem ganzen Gefolge im Hinterhalte. Wir sind jetzt, glaub ich, ziemlich vorbereitet zu einem vollstaͤndigen Begriff von der im eigentlichsten Sinn also genannter Schwaͤrmerey, dem Jdeal unseres Jahrhunderts, welches, wie jedes andere, gemeiniglich unzaͤhlige Verehrer und Anbeter von der einen, und heimliche Belacher von der andern Seite hat.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0503_1787/34>, abgerufen am 23.04.2024.