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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.

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konnte.
Sonst kann auch noch der Grund in der Art der Jmpression selbst liegen, in ihrer Neuheit, ihrem Contrast mit andern Jmpressionen, in der Lebhaftigkeit und Beschaffenheit des Organs, oder auch, wie hier wohl der Fall gewesen seyn mag, und sehr oft bey naiven Melodien der Fall ist, in einer sehr geläufigen und fließenden Tonfolge, die wir uns entweder wirklich deutlich vorstellen, oder davon wir nur ein angenehmes dunkles Gefühl haben. So habe ich mehrere auch unmusicalische Leute gekannt, welche oft, ohne daran zu denken, die Claviermelodien der Asmusischen und Schulzischen Volkslieder sangen, und bey dem ernsthaftesten Nachdenken in die Melodie derselben wie halb Begeisterte einfielen.

Eine eben so starke und oft noch stärkere Jmpression, die uns alle Augenblicke wieder einfällt, und sich zu den ernsthaftesten Gedanken gesellt, obgleich diese Gedanken gar nichts Homogenes mit ihr haben, kann durch einen auffallenden Wortausdruck hervorgebracht werden, davon mir sonderbare Erfahrungen bekannt sind. Ein neuer Fluch, den wir hören, ein witziger Einfall kann uns tagelang, wider unsern Willen, vor den Ohren schweben. Der Hypochondrist ist in solchen Fällen am unglücklichsten, indem die unbedeutendsten Jdeen, durch dieses und jenes Wort veranlaßt, gleichsam in seiner Seele anrosten, und ihn gleich Furien verfolgen.



konnte.
Sonst kann auch noch der Grund in der Art der Jmpression selbst liegen, in ihrer Neuheit, ihrem Contrast mit andern Jmpressionen, in der Lebhaftigkeit und Beschaffenheit des Organs, oder auch, wie hier wohl der Fall gewesen seyn mag, und sehr oft bey naiven Melodien der Fall ist, in einer sehr gelaͤufigen und fließenden Tonfolge, die wir uns entweder wirklich deutlich vorstellen, oder davon wir nur ein angenehmes dunkles Gefuͤhl haben. So habe ich mehrere auch unmusicalische Leute gekannt, welche oft, ohne daran zu denken, die Claviermelodien der Asmusischen und Schulzischen Volkslieder sangen, und bey dem ernsthaftesten Nachdenken in die Melodie derselben wie halb Begeisterte einfielen.

Eine eben so starke und oft noch staͤrkere Jmpression, die uns alle Augenblicke wieder einfaͤllt, und sich zu den ernsthaftesten Gedanken gesellt, obgleich diese Gedanken gar nichts Homogenes mit ihr haben, kann durch einen auffallenden Wortausdruck hervorgebracht werden, davon mir sonderbare Erfahrungen bekannt sind. Ein neuer Fluch, den wir hoͤren, ein witziger Einfall kann uns tagelang, wider unsern Willen, vor den Ohren schweben. Der Hypochondrist ist in solchen Faͤllen am ungluͤcklichsten, indem die unbedeutendsten Jdeen, durch dieses und jenes Wort veranlaßt, gleichsam in seiner Seele anrosten, und ihn gleich Furien verfolgen.


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[3/0003] konnte. Sonst kann auch noch der Grund in der Art der Jmpression selbst liegen, in ihrer Neuheit, ihrem Contrast mit andern Jmpressionen, in der Lebhaftigkeit und Beschaffenheit des Organs, oder auch, wie hier wohl der Fall gewesen seyn mag, und sehr oft bey naiven Melodien der Fall ist, in einer sehr gelaͤufigen und fließenden Tonfolge, die wir uns entweder wirklich deutlich vorstellen, oder davon wir nur ein angenehmes dunkles Gefuͤhl haben. So habe ich mehrere auch unmusicalische Leute gekannt, welche oft, ohne daran zu denken, die Claviermelodien der Asmusischen und Schulzischen Volkslieder sangen, und bey dem ernsthaftesten Nachdenken in die Melodie derselben wie halb Begeisterte einfielen. Eine eben so starke und oft noch staͤrkere Jmpression, die uns alle Augenblicke wieder einfaͤllt, und sich zu den ernsthaftesten Gedanken gesellt, obgleich diese Gedanken gar nichts Homogenes mit ihr haben, kann durch einen auffallenden Wortausdruck hervorgebracht werden, davon mir sonderbare Erfahrungen bekannt sind. Ein neuer Fluch, den wir hoͤren, ein witziger Einfall kann uns tagelang, wider unsern Willen, vor den Ohren schweben. Der Hypochondrist ist in solchen Faͤllen am ungluͤcklichsten, indem die unbedeutendsten Jdeen, durch dieses und jenes Wort veranlaßt, gleichsam in seiner Seele anrosten, und ihn gleich Furien verfolgen.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0503_1787/3>, abgerufen am 23.04.2024.