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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.

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sind aus der wirklichen, die Zusammenstellung selbst ist aus der idealischen Welt hergenommen, wie dies der Fall mit jedem Traum ist; aber mit dem Unterschiede, daß hier nach allen Aeußerungen des körperlichen Mechanismus die Seele der wirklichen Welt mehr als der idealischen nahe zu seyn scheint. Der Grundsatz, auf welchem in dergleichen Fällen sich unser Urtheil stüzt, beruht auf folgender Jdeenreihe: Wir bedienen uns zum Behuf des gemeinen Lebens bey dem Uebergange der Begriffe zu Urtheilen desjenigen Grades von Anstrengung, der die Seele in einem Zustande der Gemächlichkeit läßt. Jdeenverknüpfungen also, die diesen Zustand der Gemächlichkeit unterbrechen, sind uns im Umgange des gesellschaftlichen Lebens unangenehm, und erregen entweder Ahndung höherer Geistesfähigkeiten, oder auch widrigenfalls, wenn sie zu auffallend, rasch und sonderbar sind, Verdacht einer schwärmerischen Ueberspanntheit. Daher sind auch die Reden und Einfälle eines launigten Menschen, mit dessen Charakter wir entweder noch gar nicht bekannt sind, oder der sich vielleicht heute zum erstenmal uns von dieser Seite zeigt, allemal gewissermaßen verdächtig, und erst nach einer mit sich selbst verbundenen Reihe von Gedanken und Einfällen entscheiden wir uns, ihm den Namen eines Schwärmers, oder eines witzigen Kopfs zu geben. Ein Beweis von dem, was ich vorher sagte, daß der Begriff von Schwärmerey ein Verhältnißbegriff sey, und daß


sind aus der wirklichen, die Zusammenstellung selbst ist aus der idealischen Welt hergenommen, wie dies der Fall mit jedem Traum ist; aber mit dem Unterschiede, daß hier nach allen Aeußerungen des koͤrperlichen Mechanismus die Seele der wirklichen Welt mehr als der idealischen nahe zu seyn scheint. Der Grundsatz, auf welchem in dergleichen Faͤllen sich unser Urtheil stuͤzt, beruht auf folgender Jdeenreihe: Wir bedienen uns zum Behuf des gemeinen Lebens bey dem Uebergange der Begriffe zu Urtheilen desjenigen Grades von Anstrengung, der die Seele in einem Zustande der Gemaͤchlichkeit laͤßt. Jdeenverknuͤpfungen also, die diesen Zustand der Gemaͤchlichkeit unterbrechen, sind uns im Umgange des gesellschaftlichen Lebens unangenehm, und erregen entweder Ahndung hoͤherer Geistesfaͤhigkeiten, oder auch widrigenfalls, wenn sie zu auffallend, rasch und sonderbar sind, Verdacht einer schwaͤrmerischen Ueberspanntheit. Daher sind auch die Reden und Einfaͤlle eines launigten Menschen, mit dessen Charakter wir entweder noch gar nicht bekannt sind, oder der sich vielleicht heute zum erstenmal uns von dieser Seite zeigt, allemal gewissermaßen verdaͤchtig, und erst nach einer mit sich selbst verbundenen Reihe von Gedanken und Einfaͤllen entscheiden wir uns, ihm den Namen eines Schwaͤrmers, oder eines witzigen Kopfs zu geben. Ein Beweis von dem, was ich vorher sagte, daß der Begriff von Schwaͤrmerey ein Verhaͤltnißbegriff sey, und daß

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[27/0027] sind aus der wirklichen, die Zusammenstellung selbst ist aus der idealischen Welt hergenommen, wie dies der Fall mit jedem Traum ist; aber mit dem Unterschiede, daß hier nach allen Aeußerungen des koͤrperlichen Mechanismus die Seele der wirklichen Welt mehr als der idealischen nahe zu seyn scheint. Der Grundsatz, auf welchem in dergleichen Faͤllen sich unser Urtheil stuͤzt, beruht auf folgender Jdeenreihe: Wir bedienen uns zum Behuf des gemeinen Lebens bey dem Uebergange der Begriffe zu Urtheilen desjenigen Grades von Anstrengung, der die Seele in einem Zustande der Gemaͤchlichkeit laͤßt. Jdeenverknuͤpfungen also, die diesen Zustand der Gemaͤchlichkeit unterbrechen, sind uns im Umgange des gesellschaftlichen Lebens unangenehm, und erregen entweder Ahndung hoͤherer Geistesfaͤhigkeiten, oder auch widrigenfalls, wenn sie zu auffallend, rasch und sonderbar sind, Verdacht einer schwaͤrmerischen Ueberspanntheit. Daher sind auch die Reden und Einfaͤlle eines launigten Menschen, mit dessen Charakter wir entweder noch gar nicht bekannt sind, oder der sich vielleicht heute zum erstenmal uns von dieser Seite zeigt, allemal gewissermaßen verdaͤchtig, und erst nach einer mit sich selbst verbundenen Reihe von Gedanken und Einfaͤllen entscheiden wir uns, ihm den Namen eines Schwaͤrmers, oder eines witzigen Kopfs zu geben. Ein Beweis von dem, was ich vorher sagte, daß der Begriff von Schwaͤrmerey ein Verhaͤltnißbegriff sey, und daß

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0503_1787/27>, abgerufen am 29.03.2024.