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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.

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deres Hirngespinst ausmachte. Aus mehreren täglichen Phänomen könnte der denkende Arzt die wichtigsten Resultate für seine Kunst ziehen; eine Kunst, die nur immer etwas Halbes bleibt, wenn er nicht zugleich wirklicher Psycholog ist. Jch wünsche, daß meine Leser hiebey das nachlesen mögten, was der Hofrath M. Herz in der Einleitung seines Buchs, vom Schwindel, mit so vielem Scharfsinn gesagt hat.


Die Geschichte einer sonderbaren Handlungsart ohne Bewußtseyn, (S. 74.) welche Herr G. L. Spalding aus dem Englischen des Lord Monboddo erzählt hat, zeigt deutlich, daß die menschliche Seele sehr vieler Jdeen, und darauf gegründeter Handlungen fähig sey, obgleich das Bewußtseyn derselben mit einem Augenblicke verlischt. Eigentlich war das angeführte Mädchen eine Nachtwandlerinn am hellen Tage. "Jhr Paroxismus ergriff sie allemal bey Tagszeit, wenn sie schon einige Stunden aus dem Bette gewesen war. Er fing mit einer Schwere des Kopfs und Schläfrigkeit an, die sich in Schlaf endigte, wenigstens in eine Art davon; denn ihre Augen waren fest zugeschlossen. Jn diesem Zustande war sie vermögend, mit einer erstaunenswürdigen Behendigkeit auf Tisch und Stühle zu springen. Oft rennte sie auch aus ihrer väterlichen Wohnung; dies geschah aber allemal mit einer gewissen Richtung nach irgend einem bestimm-


deres Hirngespinst ausmachte. Aus mehreren taͤglichen Phaͤnomen koͤnnte der denkende Arzt die wichtigsten Resultate fuͤr seine Kunst ziehen; eine Kunst, die nur immer etwas Halbes bleibt, wenn er nicht zugleich wirklicher Psycholog ist. Jch wuͤnsche, daß meine Leser hiebey das nachlesen moͤgten, was der Hofrath M. Herz in der Einleitung seines Buchs, vom Schwindel, mit so vielem Scharfsinn gesagt hat.


Die Geschichte einer sonderbaren Handlungsart ohne Bewußtseyn, (S. 74.) welche Herr G. L. Spalding aus dem Englischen des Lord Monboddo erzaͤhlt hat, zeigt deutlich, daß die menschliche Seele sehr vieler Jdeen, und darauf gegruͤndeter Handlungen faͤhig sey, obgleich das Bewußtseyn derselben mit einem Augenblicke verlischt. Eigentlich war das angefuͤhrte Maͤdchen eine Nachtwandlerinn am hellen Tage. »Jhr Paroxismus ergriff sie allemal bey Tagszeit, wenn sie schon einige Stunden aus dem Bette gewesen war. Er fing mit einer Schwere des Kopfs und Schlaͤfrigkeit an, die sich in Schlaf endigte, wenigstens in eine Art davon; denn ihre Augen waren fest zugeschlossen. Jn diesem Zustande war sie vermoͤgend, mit einer erstaunenswuͤrdigen Behendigkeit auf Tisch und Stuͤhle zu springen. Oft rennte sie auch aus ihrer vaͤterlichen Wohnung; dies geschah aber allemal mit einer gewissen Richtung nach irgend einem bestimm-

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[10/0010] deres Hirngespinst ausmachte. Aus mehreren taͤglichen Phaͤnomen koͤnnte der denkende Arzt die wichtigsten Resultate fuͤr seine Kunst ziehen; eine Kunst, die nur immer etwas Halbes bleibt, wenn er nicht zugleich wirklicher Psycholog ist. Jch wuͤnsche, daß meine Leser hiebey das nachlesen moͤgten, was der Hofrath M. Herz in der Einleitung seines Buchs, vom Schwindel, mit so vielem Scharfsinn gesagt hat. Die Geschichte einer sonderbaren Handlungsart ohne Bewußtseyn, (S. 74.) welche Herr G. L. Spalding aus dem Englischen des Lord Monboddo erzaͤhlt hat, zeigt deutlich, daß die menschliche Seele sehr vieler Jdeen, und darauf gegruͤndeter Handlungen faͤhig sey, obgleich das Bewußtseyn derselben mit einem Augenblicke verlischt. Eigentlich war das angefuͤhrte Maͤdchen eine Nachtwandlerinn am hellen Tage. »Jhr Paroxismus ergriff sie allemal bey Tagszeit, wenn sie schon einige Stunden aus dem Bette gewesen war. Er fing mit einer Schwere des Kopfs und Schlaͤfrigkeit an, die sich in Schlaf endigte, wenigstens in eine Art davon; denn ihre Augen waren fest zugeschlossen. Jn diesem Zustande war sie vermoͤgend, mit einer erstaunenswuͤrdigen Behendigkeit auf Tisch und Stuͤhle zu springen. Oft rennte sie auch aus ihrer vaͤterlichen Wohnung; dies geschah aber allemal mit einer gewissen Richtung nach irgend einem bestimm-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0503_1787/10>, abgerufen am 28.03.2024.