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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.

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daß uns die Stunden seines Umgangs lästig seyn würden. Vornehmlich aber fürchten wir uns, daß sein spähendes Auge an uns Fehler und Schwachheiten entdecken dürfte, die wir gern verbergen möchten, und wir zweifeln nicht, daß er uns in den Augen Anderer ohne Zurückhaltung lächerlich machen wird, sobald ihn seine spöttische Laune überfällt.

Je geneigter daher unser Herz zur Liebe, Freundschaft und Geselligkeit ist; je mehr wir unsere sittlichen Gefühle durch den Umgang mit edeln Menschen verfeinert haben, je lieber es uns ist bei allen Menschen so viel möglich in gutem Kredit zu stehen, und je empfindlicher wir vornehmlich in Absicht unserer Selbstliebe sind, je abgeneigter müssen wir uns auch gegen Menschen fühlen, welche die Kennzeichen eines spöttischen Characters so deutlich im Gesichte tragen, und vor welchen wir, wie es uns scheint, von der Natur gleichsam selbst gewarnt werden.

Mehr als alle andere Gesichtsausdrücke reizt unsere Antipathie die Miene des aufgeblasenen und stolzen Mannes. Der Satyriker kann uns doch noch, auch bei seinem zurückscheuchenden Gesichtsausdruck durch seinen Witz eine angenehme Unterhaltung verschaffen; kann uns, wenn wir ihn gleich fürchten, aufheitern; allein dem Stolzen bleibt bei seiner brüsquen und hochmüthigen Miene kein Weg übrig, auf welchem er sich unsern Herzen nähern könnte, gesetzt, daß er auch die vortreflich-


daß uns die Stunden seines Umgangs laͤstig seyn wuͤrden. Vornehmlich aber fuͤrchten wir uns, daß sein spaͤhendes Auge an uns Fehler und Schwachheiten entdecken duͤrfte, die wir gern verbergen moͤchten, und wir zweifeln nicht, daß er uns in den Augen Anderer ohne Zuruͤckhaltung laͤcherlich machen wird, sobald ihn seine spoͤttische Laune uͤberfaͤllt.

Je geneigter daher unser Herz zur Liebe, Freundschaft und Geselligkeit ist; je mehr wir unsere sittlichen Gefuͤhle durch den Umgang mit edeln Menschen verfeinert haben, je lieber es uns ist bei allen Menschen so viel moͤglich in gutem Kredit zu stehen, und je empfindlicher wir vornehmlich in Absicht unserer Selbstliebe sind, je abgeneigter muͤssen wir uns auch gegen Menschen fuͤhlen, welche die Kennzeichen eines spoͤttischen Characters so deutlich im Gesichte tragen, und vor welchen wir, wie es uns scheint, von der Natur gleichsam selbst gewarnt werden.

Mehr als alle andere Gesichtsausdruͤcke reizt unsere Antipathie die Miene des aufgeblasenen und stolzen Mannes. Der Satyriker kann uns doch noch, auch bei seinem zuruͤckscheuchenden Gesichtsausdruck durch seinen Witz eine angenehme Unterhaltung verschaffen; kann uns, wenn wir ihn gleich fuͤrchten, aufheitern; allein dem Stolzen bleibt bei seiner bruͤsquen und hochmuͤthigen Miene kein Weg uͤbrig, auf welchem er sich unsern Herzen naͤhern koͤnnte, gesetzt, daß er auch die vortreflich-

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[46/0048] daß uns die Stunden seines Umgangs laͤstig seyn wuͤrden. Vornehmlich aber fuͤrchten wir uns, daß sein spaͤhendes Auge an uns Fehler und Schwachheiten entdecken duͤrfte, die wir gern verbergen moͤchten, und wir zweifeln nicht, daß er uns in den Augen Anderer ohne Zuruͤckhaltung laͤcherlich machen wird, sobald ihn seine spoͤttische Laune uͤberfaͤllt. Je geneigter daher unser Herz zur Liebe, Freundschaft und Geselligkeit ist; je mehr wir unsere sittlichen Gefuͤhle durch den Umgang mit edeln Menschen verfeinert haben, je lieber es uns ist bei allen Menschen so viel moͤglich in gutem Kredit zu stehen, und je empfindlicher wir vornehmlich in Absicht unserer Selbstliebe sind, je abgeneigter muͤssen wir uns auch gegen Menschen fuͤhlen, welche die Kennzeichen eines spoͤttischen Characters so deutlich im Gesichte tragen, und vor welchen wir, wie es uns scheint, von der Natur gleichsam selbst gewarnt werden. Mehr als alle andere Gesichtsausdruͤcke reizt unsere Antipathie die Miene des aufgeblasenen und stolzen Mannes. Der Satyriker kann uns doch noch, auch bei seinem zuruͤckscheuchenden Gesichtsausdruck durch seinen Witz eine angenehme Unterhaltung verschaffen; kann uns, wenn wir ihn gleich fuͤrchten, aufheitern; allein dem Stolzen bleibt bei seiner bruͤsquen und hochmuͤthigen Miene kein Weg uͤbrig, auf welchem er sich unsern Herzen naͤhern koͤnnte, gesetzt, daß er auch die vortreflich-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/48>, abgerufen am 29.03.2024.