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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.

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ben, die unter zwanzig Leuten gewiß immer einen antreffen, der für ihre Phantasie etwas Widerliches an sich hat. Der Grund worin Kinder mehr von den Empfindungen einer unwillkürlichen Abneigung gegen gewisse Menschen als ältere Leute beherrscht werden, scheint mir vornehmlich darin zu liegen, weil ihr Herz mit jenen nicht immer auf die Art sympathisiren kann, als es seinen jugendlichern und lebhaftern Gefühlen angemessen ist. Das ernsthaftere Gesicht älterer Leute, ihre gröbere Sprache, ihr größerer Körper kann in hundert Fällen für die Einbildungskraft des Kindes etwas Unangenehmes an sich haben, was ältere Leute gegen einander nicht fühlen, -und bisweilen scheint sogar das Auge junger Kinder auf dem Gesichte Anderer mehr als der Blick jener zu lesen, welcher durch die Gewohnheit vielleicht schon viel von seiner physiognomischen Schärfe verlohren haben kann. -

Doch es ist Zeit, daß ich auf die psychologische Erklärung meines Gegenstandes komme, und die Gründe anzugeben versuche, von welchen jene unwillkürliche Abneigung gegen gewisse Menschen, ob wir sie gleich nicht genauer kennen, sie uns auch nie beleidigt haben, abhängt.

Jch habe schon im Vorhergehenden zu verstehen gegeben, daß unsere Antipathie gegen manche Menschen vornehmlich durch ihre Gesichtszüge veranlaßt wird, die, ohne daß wir es uns erklären können, für unsere Phantasie etwas Unleidliches an


ben, die unter zwanzig Leuten gewiß immer einen antreffen, der fuͤr ihre Phantasie etwas Widerliches an sich hat. Der Grund worin Kinder mehr von den Empfindungen einer unwillkuͤrlichen Abneigung gegen gewisse Menschen als aͤltere Leute beherrscht werden, scheint mir vornehmlich darin zu liegen, weil ihr Herz mit jenen nicht immer auf die Art sympathisiren kann, als es seinen jugendlichern und lebhaftern Gefuͤhlen angemessen ist. Das ernsthaftere Gesicht aͤlterer Leute, ihre groͤbere Sprache, ihr groͤßerer Koͤrper kann in hundert Faͤllen fuͤr die Einbildungskraft des Kindes etwas Unangenehmes an sich haben, was aͤltere Leute gegen einander nicht fuͤhlen, –und bisweilen scheint sogar das Auge junger Kinder auf dem Gesichte Anderer mehr als der Blick jener zu lesen, welcher durch die Gewohnheit vielleicht schon viel von seiner physiognomischen Schaͤrfe verlohren haben kann. –

Doch es ist Zeit, daß ich auf die psychologische Erklaͤrung meines Gegenstandes komme, und die Gruͤnde anzugeben versuche, von welchen jene unwillkuͤrliche Abneigung gegen gewisse Menschen, ob wir sie gleich nicht genauer kennen, sie uns auch nie beleidigt haben, abhaͤngt.

Jch habe schon im Vorhergehenden zu verstehen gegeben, daß unsere Antipathie gegen manche Menschen vornehmlich durch ihre Gesichtszuͤge veranlaßt wird, die, ohne daß wir es uns erklaͤren koͤnnen, fuͤr unsere Phantasie etwas Unleidliches an

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[43/0045] ben, die unter zwanzig Leuten gewiß immer einen antreffen, der fuͤr ihre Phantasie etwas Widerliches an sich hat. Der Grund worin Kinder mehr von den Empfindungen einer unwillkuͤrlichen Abneigung gegen gewisse Menschen als aͤltere Leute beherrscht werden, scheint mir vornehmlich darin zu liegen, weil ihr Herz mit jenen nicht immer auf die Art sympathisiren kann, als es seinen jugendlichern und lebhaftern Gefuͤhlen angemessen ist. Das ernsthaftere Gesicht aͤlterer Leute, ihre groͤbere Sprache, ihr groͤßerer Koͤrper kann in hundert Faͤllen fuͤr die Einbildungskraft des Kindes etwas Unangenehmes an sich haben, was aͤltere Leute gegen einander nicht fuͤhlen, –und bisweilen scheint sogar das Auge junger Kinder auf dem Gesichte Anderer mehr als der Blick jener zu lesen, welcher durch die Gewohnheit vielleicht schon viel von seiner physiognomischen Schaͤrfe verlohren haben kann. – Doch es ist Zeit, daß ich auf die psychologische Erklaͤrung meines Gegenstandes komme, und die Gruͤnde anzugeben versuche, von welchen jene unwillkuͤrliche Abneigung gegen gewisse Menschen, ob wir sie gleich nicht genauer kennen, sie uns auch nie beleidigt haben, abhaͤngt. Jch habe schon im Vorhergehenden zu verstehen gegeben, daß unsere Antipathie gegen manche Menschen vornehmlich durch ihre Gesichtszuͤge veranlaßt wird, die, ohne daß wir es uns erklaͤren koͤnnen, fuͤr unsere Phantasie etwas Unleidliches an

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/45>, abgerufen am 28.03.2024.