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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.

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Stehlen nicht beherrschen kann, und daß sein Herz so leicht jedem Vorsatze sich zu bessern ausweicht; - ob ich gleich nicht bestimmen kann, in wie fern seine durch heimliche Ausschweifungen erregte Seelenschwäche grade ihre Richtung zu seinem Geldgeitze genommen hat. Ein Tagebuch, welches man über den ganzen Gang seiner Empfindungen und Leidenschaften mit Aufmerksamkeit gehalten hätte, würde vieles aufgeklärt haben, welches mir an ihm noch ganz unbegreiflich vorkommt. Die Aerzte setzen seine Krankheit zugleich mit in ein Austrocknen des Rückgradmarks, eine Krankheit, worin so oft ihre Kunst Schiffbruch gelitten haben soll. Künftig von diesem sonderbaren Menschen ein mehreres.


2. Ein Brief an Gaßnern.

Mein lieber Herr Pfarrer Gaßner!

Sie haben also, mein Freund, einen Seher Gottes und der Wahrheit gesehn! Es freut mich mit jedem Augenblick mehr, und ich weiß nicht wie mir zu Muthe wird, wenn ich denke: so lebt doch zu gleicher Zeit mit dir ein Mann, der mit Kraft zeuget von dem Leben Jesu, und einer von denen


Stehlen nicht beherrschen kann, und daß sein Herz so leicht jedem Vorsatze sich zu bessern ausweicht; – ob ich gleich nicht bestimmen kann, in wie fern seine durch heimliche Ausschweifungen erregte Seelenschwaͤche grade ihre Richtung zu seinem Geldgeitze genommen hat. Ein Tagebuch, welches man uͤber den ganzen Gang seiner Empfindungen und Leidenschaften mit Aufmerksamkeit gehalten haͤtte, wuͤrde vieles aufgeklaͤrt haben, welches mir an ihm noch ganz unbegreiflich vorkommt. Die Aerzte setzen seine Krankheit zugleich mit in ein Austrocknen des Ruͤckgradmarks, eine Krankheit, worin so oft ihre Kunst Schiffbruch gelitten haben soll. Kuͤnftig von diesem sonderbaren Menschen ein mehreres.


2. Ein Brief an Gaßnern.

Mein lieber Herr Pfarrer Gaßner!

Sie haben also, mein Freund, einen Seher Gottes und der Wahrheit gesehn! Es freut mich mit jedem Augenblick mehr, und ich weiß nicht wie mir zu Muthe wird, wenn ich denke: so lebt doch zu gleicher Zeit mit dir ein Mann, der mit Kraft zeuget von dem Leben Jesu, und einer von denen

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[32/0034] Stehlen nicht beherrschen kann, und daß sein Herz so leicht jedem Vorsatze sich zu bessern ausweicht; – ob ich gleich nicht bestimmen kann, in wie fern seine durch heimliche Ausschweifungen erregte Seelenschwaͤche grade ihre Richtung zu seinem Geldgeitze genommen hat. Ein Tagebuch, welches man uͤber den ganzen Gang seiner Empfindungen und Leidenschaften mit Aufmerksamkeit gehalten haͤtte, wuͤrde vieles aufgeklaͤrt haben, welches mir an ihm noch ganz unbegreiflich vorkommt. Die Aerzte setzen seine Krankheit zugleich mit in ein Austrocknen des Ruͤckgradmarks, eine Krankheit, worin so oft ihre Kunst Schiffbruch gelitten haben soll. Kuͤnftig von diesem sonderbaren Menschen ein mehreres. 2. Ein Brief an Gaßnern. Mein lieber Herr Pfarrer Gaßner! Sie haben also, mein Freund, einen Seher Gottes und der Wahrheit gesehn! Es freut mich mit jedem Augenblick mehr, und ich weiß nicht wie mir zu Muthe wird, wenn ich denke: so lebt doch zu gleicher Zeit mit dir ein Mann, der mit Kraft zeuget von dem Leben Jesu, und einer von denen

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/34>, abgerufen am 29.03.2024.