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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.

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von ihnen von Kindheit an zur größten Ordnung in allen seinen Geschäften, und auch vornehmlich in seinen Kleidern angehalten, jedes mußte seine angewiesene Stelle haben, und er wurde ernstlich bestraft, wenn er darin eine Nachlässigkeit blicken ließ. Nicht weniger aufmerksam waren sie, ihn an eine strenge Sparsamkeit im Geldausgeben zu gewöhnen, und täglich wurde ihm die Lehre vorgepredigt: daß ein Kaufmann ohne eine genaue Oekonomie nicht in der Welt fortkommen könne. Der Knabe war hierin seinen Eltern so gehorsam, daß er schon in seinem zwölften Jahre der ordentlichste Junge von der Welt war.

Seine Garderobe war klein, aber täglich wurde sie mit größter Sorgfalt gesäubert, und es durfte kein Federchen auf seinem Kleide sitzen. Wer ihm daran was verdorb, war sein Todfeind. Diese genaue ängstliche Ordnungsliebe, die ihn seine Eltern lehrten, und ihr eigenes Beispiel in Absicht des sparsamen Geldausgebens scheint mit eine von den gelegentlichen Ursachen seines nachher so stark gewordenen Geitzes gewesen zu seyn, seine Neigung zur Bettelei aber soll, wie mir sein Onkel erzählte, vornehmlich durch folgenden Umstand in ihm rege geworden seyn.

Als er nach B- in die Lehre gethan worden war, pflegte er, so oft es seine Geschäfte erlaubeten, in den fürstlichen Schloßgarten zu gehen, um den Hof an öffentlicher Tafel speisen zu sehen. Er


von ihnen von Kindheit an zur groͤßten Ordnung in allen seinen Geschaͤften, und auch vornehmlich in seinen Kleidern angehalten, jedes mußte seine angewiesene Stelle haben, und er wurde ernstlich bestraft, wenn er darin eine Nachlaͤssigkeit blicken ließ. Nicht weniger aufmerksam waren sie, ihn an eine strenge Sparsamkeit im Geldausgeben zu gewoͤhnen, und taͤglich wurde ihm die Lehre vorgepredigt: daß ein Kaufmann ohne eine genaue Oekonomie nicht in der Welt fortkommen koͤnne. Der Knabe war hierin seinen Eltern so gehorsam, daß er schon in seinem zwoͤlften Jahre der ordentlichste Junge von der Welt war.

Seine Garderobe war klein, aber taͤglich wurde sie mit groͤßter Sorgfalt gesaͤubert, und es durfte kein Federchen auf seinem Kleide sitzen. Wer ihm daran was verdorb, war sein Todfeind. Diese genaue aͤngstliche Ordnungsliebe, die ihn seine Eltern lehrten, und ihr eigenes Beispiel in Absicht des sparsamen Geldausgebens scheint mit eine von den gelegentlichen Ursachen seines nachher so stark gewordenen Geitzes gewesen zu seyn, seine Neigung zur Bettelei aber soll, wie mir sein Onkel erzaͤhlte, vornehmlich durch folgenden Umstand in ihm rege geworden seyn.

Als er nach B– in die Lehre gethan worden war, pflegte er, so oft es seine Geschaͤfte erlaubeten, in den fuͤrstlichen Schloßgarten zu gehen, um den Hof an oͤffentlicher Tafel speisen zu sehen. Er

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[30/0032] von ihnen von Kindheit an zur groͤßten Ordnung in allen seinen Geschaͤften, und auch vornehmlich in seinen Kleidern angehalten, jedes mußte seine angewiesene Stelle haben, und er wurde ernstlich bestraft, wenn er darin eine Nachlaͤssigkeit blicken ließ. Nicht weniger aufmerksam waren sie, ihn an eine strenge Sparsamkeit im Geldausgeben zu gewoͤhnen, und taͤglich wurde ihm die Lehre vorgepredigt: daß ein Kaufmann ohne eine genaue Oekonomie nicht in der Welt fortkommen koͤnne. Der Knabe war hierin seinen Eltern so gehorsam, daß er schon in seinem zwoͤlften Jahre der ordentlichste Junge von der Welt war. Seine Garderobe war klein, aber taͤglich wurde sie mit groͤßter Sorgfalt gesaͤubert, und es durfte kein Federchen auf seinem Kleide sitzen. Wer ihm daran was verdorb, war sein Todfeind. Diese genaue aͤngstliche Ordnungsliebe, die ihn seine Eltern lehrten, und ihr eigenes Beispiel in Absicht des sparsamen Geldausgebens scheint mit eine von den gelegentlichen Ursachen seines nachher so stark gewordenen Geitzes gewesen zu seyn, seine Neigung zur Bettelei aber soll, wie mir sein Onkel erzaͤhlte, vornehmlich durch folgenden Umstand in ihm rege geworden seyn. Als er nach B– in die Lehre gethan worden war, pflegte er, so oft es seine Geschaͤfte erlaubeten, in den fuͤrstlichen Schloßgarten zu gehen, um den Hof an oͤffentlicher Tafel speisen zu sehen. Er

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/32>, abgerufen am 25.04.2024.