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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

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Vaters Unterricht; dem es aber doch nachher angenehm war, ihm seine Arbeit ganz überlassen, und ungehinderter saufen zu können. Der Sohn war ungemein fleißig, und sein Gebäck fand vielen Beifall. Dabei war er lustig und spashaft, so daß die andern Bürgerssöhne, die durch Zeichen gut mit ihm sprechen konnten, ohne seine Gesellschaft nicht vergnügt waren. Alle unter solchen jungen Leuten gewöhnlichen Spiele, wußte er so gut zu spielen, daß er fast allezeit gewann, wobei er viel lachte, den ärmern aber, das von ihnen gewonnene Geld heimlich wieder gab.

Dem Vater fiel es oft im Rausche ein, die Mutter zu schlagen; welches er schon als ein kleiner Knabe dadurch zu verhindern suchte, daß er auf den Vater zulief, und ihn so lange aufhielt, bis die Mutter sich hatte verstecken können; wobei er selbst erbärmlich geschlagen wurde; welches er sich aber nicht abschrecken ließ, sondern, wenn er zugegen war, die Mutter allezeit auf diese Weise rettete. Fragte man ihn, als er etwas größer worden war, warum er der Mutter wegen so viele Schläge erduldete? so gab er zu verstehen, er könne ihr damit doch noch nicht vergelten, was sie bei seiner Geburt und Kindheit mit ihm ausgestanden habe. Fragte man ihn, als er erwachsen war, warum er sich schlagen ließe, und den Vater nicht wieder schlüge, so gab er zu verstehen, Gott hätte das verboten; doch trug er ihn, wenn er gar zu


Vaters Unterricht; dem es aber doch nachher angenehm war, ihm seine Arbeit ganz uͤberlassen, und ungehinderter saufen zu koͤnnen. Der Sohn war ungemein fleißig, und sein Gebaͤck fand vielen Beifall. Dabei war er lustig und spashaft, so daß die andern Buͤrgerssoͤhne, die durch Zeichen gut mit ihm sprechen konnten, ohne seine Gesellschaft nicht vergnuͤgt waren. Alle unter solchen jungen Leuten gewoͤhnlichen Spiele, wußte er so gut zu spielen, daß er fast allezeit gewann, wobei er viel lachte, den aͤrmern aber, das von ihnen gewonnene Geld heimlich wieder gab.

Dem Vater fiel es oft im Rausche ein, die Mutter zu schlagen; welches er schon als ein kleiner Knabe dadurch zu verhindern suchte, daß er auf den Vater zulief, und ihn so lange aufhielt, bis die Mutter sich hatte verstecken koͤnnen; wobei er selbst erbaͤrmlich geschlagen wurde; welches er sich aber nicht abschrecken ließ, sondern, wenn er zugegen war, die Mutter allezeit auf diese Weise rettete. Fragte man ihn, als er etwas groͤßer worden war, warum er der Mutter wegen so viele Schlaͤge erduldete? so gab er zu verstehen, er koͤnne ihr damit doch noch nicht vergelten, was sie bei seiner Geburt und Kindheit mit ihm ausgestanden habe. Fragte man ihn, als er erwachsen war, warum er sich schlagen ließe, und den Vater nicht wieder schluͤge, so gab er zu verstehen, Gott haͤtte das verboten; doch trug er ihn, wenn er gar zu

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[40/0040] Vaters Unterricht; dem es aber doch nachher angenehm war, ihm seine Arbeit ganz uͤberlassen, und ungehinderter saufen zu koͤnnen. Der Sohn war ungemein fleißig, und sein Gebaͤck fand vielen Beifall. Dabei war er lustig und spashaft, so daß die andern Buͤrgerssoͤhne, die durch Zeichen gut mit ihm sprechen konnten, ohne seine Gesellschaft nicht vergnuͤgt waren. Alle unter solchen jungen Leuten gewoͤhnlichen Spiele, wußte er so gut zu spielen, daß er fast allezeit gewann, wobei er viel lachte, den aͤrmern aber, das von ihnen gewonnene Geld heimlich wieder gab. Dem Vater fiel es oft im Rausche ein, die Mutter zu schlagen; welches er schon als ein kleiner Knabe dadurch zu verhindern suchte, daß er auf den Vater zulief, und ihn so lange aufhielt, bis die Mutter sich hatte verstecken koͤnnen; wobei er selbst erbaͤrmlich geschlagen wurde; welches er sich aber nicht abschrecken ließ, sondern, wenn er zugegen war, die Mutter allezeit auf diese Weise rettete. Fragte man ihn, als er etwas groͤßer worden war, warum er der Mutter wegen so viele Schlaͤge erduldete? so gab er zu verstehen, er koͤnne ihr damit doch noch nicht vergelten, was sie bei seiner Geburt und Kindheit mit ihm ausgestanden habe. Fragte man ihn, als er erwachsen war, warum er sich schlagen ließe, und den Vater nicht wieder schluͤge, so gab er zu verstehen, Gott haͤtte das verboten; doch trug er ihn, wenn er gar zu

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785/40>, abgerufen am 28.03.2024.