Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite


(Sie müssen sich an seine Ausdrücke nicht stoßen) daher entsteht ihre Traurigkeit." Aber woher weiß er denn das so gewiß? sagte ich. "Ei nun, sehen Sie nur, fuhr er fort, seinen und ihren Körper an; wie will ein solcher ausgemergelter Körper (ich muß seinen Ausdruck ändern) dem ihrigen Freuden gewähren?" Und warum, muß es denn just thierischer Trieb seyn? Können nicht noch andere Ursachen ihrer Traurigkeit da seyn? Jhr Charakter stimmt vielleicht mit dem Seinigen nicht; sie hat vielleicht einen andern geliebt; und hat diesen aus Privatabsichten nehmen müssen. "Es wird sich ausweisen, sagte er, wer recht hat."

Nun konnte ich nicht ruhen noch rasten: ich mußte ihre geheime Geschichte wissen. Und da ich einige Tage wegen anderer Abhaltungen nicht hinauskommen konnte, so schrieb ich ein Billet, gab es meinem Naturalisten, und bat ihn, er möchte es ihr heimlich zustellen. Dieses Billet enthielt nichts als: Bedauerungen, Anerbietung meiner Freundschaft (was konnte ihr diese in meinem eingeschränkten Kreise wohl helfen!) und Angelobung völliger Verschwiegenheit, im Fall sie mich zu ihrem Vertrauten machen wollte. Am Ende bat ich sie, mir einen Ort zu bestimmen, wo ich sie ohne Zeugen sprechen konnte.

Als ich wieder hinkam, so war der Brief schon den Tag vorher übergeben worden. "Sie hätten nur sehen sollen, sagte mein Abgeordneter, wie


(Sie muͤssen sich an seine Ausdruͤcke nicht stoßen) daher entsteht ihre Traurigkeit.« Aber woher weiß er denn das so gewiß? sagte ich. »Ei nun, sehen Sie nur, fuhr er fort, seinen und ihren Koͤrper an; wie will ein solcher ausgemergelter Koͤrper (ich muß seinen Ausdruck aͤndern) dem ihrigen Freuden gewaͤhren?« Und warum, muß es denn just thierischer Trieb seyn? Koͤnnen nicht noch andere Ursachen ihrer Traurigkeit da seyn? Jhr Charakter stimmt vielleicht mit dem Seinigen nicht; sie hat vielleicht einen andern geliebt; und hat diesen aus Privatabsichten nehmen muͤssen. »Es wird sich ausweisen, sagte er, wer recht hat.«

Nun konnte ich nicht ruhen noch rasten: ich mußte ihre geheime Geschichte wissen. Und da ich einige Tage wegen anderer Abhaltungen nicht hinauskommen konnte, so schrieb ich ein Billet, gab es meinem Naturalisten, und bat ihn, er moͤchte es ihr heimlich zustellen. Dieses Billet enthielt nichts als: Bedauerungen, Anerbietung meiner Freundschaft (was konnte ihr diese in meinem eingeschraͤnkten Kreise wohl helfen!) und Angelobung voͤlliger Verschwiegenheit, im Fall sie mich zu ihrem Vertrauten machen wollte. Am Ende bat ich sie, mir einen Ort zu bestimmen, wo ich sie ohne Zeugen sprechen konnte.

Als ich wieder hinkam, so war der Brief schon den Tag vorher uͤbergeben worden. »Sie haͤtten nur sehen sollen, sagte mein Abgeordneter, wie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0024" n="22"/><lb/>
(Sie                   mu&#x0364;ssen sich an seine Ausdru&#x0364;cke nicht stoßen) daher entsteht ihre Traurigkeit.«                   Aber woher weiß er denn das so gewiß? sagte ich. »Ei nun, sehen Sie nur, fuhr er                   fort, seinen und ihren Ko&#x0364;rper an; wie will ein solcher ausgemergelter Ko&#x0364;rper (ich                   muß seinen Ausdruck a&#x0364;ndern) dem ihrigen Freuden gewa&#x0364;hren?« Und warum, muß es denn                   just thierischer Trieb seyn? Ko&#x0364;nnen nicht noch andere Ursachen ihrer Traurigkeit                   da seyn? Jhr Charakter stimmt vielleicht mit dem Seinigen nicht; sie hat                   vielleicht einen andern geliebt; und hat diesen aus Privatabsichten nehmen <hi rendition="#b">mu&#x0364;ssen.</hi> »Es wird sich ausweisen, sagte er, wer recht                   hat.«</p>
            <p>Nun konnte ich nicht ruhen noch rasten: ich mußte ihre geheime Geschichte wissen.                   Und da ich einige Tage wegen anderer Abhaltungen nicht hinauskommen konnte, so                   schrieb ich ein Billet, gab es meinem Naturalisten, und bat ihn, er mo&#x0364;chte es ihr                   heimlich zustellen. Dieses Billet enthielt nichts als: Bedauerungen, Anerbietung                   meiner Freundschaft (was konnte ihr diese in meinem eingeschra&#x0364;nkten Kreise wohl                   helfen!) und Angelobung vo&#x0364;lliger Verschwiegenheit, im Fall sie mich zu ihrem                   Vertrauten machen wollte. Am Ende bat ich sie, mir einen Ort zu bestimmen, wo ich                   sie ohne Zeugen sprechen konnte.</p>
            <p>Als ich wieder hinkam, so war der Brief schon den Tag vorher u&#x0364;bergeben worden.                   »Sie ha&#x0364;tten nur sehen sollen, sagte mein Abgeordneter, wie<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0024] (Sie muͤssen sich an seine Ausdruͤcke nicht stoßen) daher entsteht ihre Traurigkeit.« Aber woher weiß er denn das so gewiß? sagte ich. »Ei nun, sehen Sie nur, fuhr er fort, seinen und ihren Koͤrper an; wie will ein solcher ausgemergelter Koͤrper (ich muß seinen Ausdruck aͤndern) dem ihrigen Freuden gewaͤhren?« Und warum, muß es denn just thierischer Trieb seyn? Koͤnnen nicht noch andere Ursachen ihrer Traurigkeit da seyn? Jhr Charakter stimmt vielleicht mit dem Seinigen nicht; sie hat vielleicht einen andern geliebt; und hat diesen aus Privatabsichten nehmen muͤssen. »Es wird sich ausweisen, sagte er, wer recht hat.« Nun konnte ich nicht ruhen noch rasten: ich mußte ihre geheime Geschichte wissen. Und da ich einige Tage wegen anderer Abhaltungen nicht hinauskommen konnte, so schrieb ich ein Billet, gab es meinem Naturalisten, und bat ihn, er moͤchte es ihr heimlich zustellen. Dieses Billet enthielt nichts als: Bedauerungen, Anerbietung meiner Freundschaft (was konnte ihr diese in meinem eingeschraͤnkten Kreise wohl helfen!) und Angelobung voͤlliger Verschwiegenheit, im Fall sie mich zu ihrem Vertrauten machen wollte. Am Ende bat ich sie, mir einen Ort zu bestimmen, wo ich sie ohne Zeugen sprechen konnte. Als ich wieder hinkam, so war der Brief schon den Tag vorher uͤbergeben worden. »Sie haͤtten nur sehen sollen, sagte mein Abgeordneter, wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/24
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/24>, abgerufen am 18.04.2024.