Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite


Positiv stehen, welches er nach meinem Tode, da ich nicht musikalisch bin, oder wenn ich Alters wegen den Dienst nicht mehr versehen kann, will in die Kirche setzen lassen. Wenn Sie daher Musik verstünden, so glaubte ichs wohl dahin zu bringen, daß Sie mein Nachfolger würden. Schon wieder eine neue Hofnung! dachte ich, aber wenig Aussichten dazu, (denn wo sollte ich die Kenntniß des Klaviers hernehmen) und reißte mit meinem Freund wieder ab.

Jch kehrte nun zu meinem alten Elende wieder zurück. Meine Bedürfnisse waren zwar wenig; allein auch diese wenigen konnte ich mir nicht verschaffen. Bange Sorgen der Zukunft -- Mangel an Unterhalt, keine Beschäftigung, nichts, das meine Seele in Thätigkeit setzen konnte; mein Leben war sehr einförmig. Es wurde mir eine Jnformation angetragen bei einem hiesigen Bürger, der in einer angenehmen Gegend ein Gasthaus hielt. Jch hielt meine Stunde des Nachmittags, weil da immer Gesellschaft war, und ich das gesellschaftliche Leben liebe. Nach der Stunde unterhielt ich mich denn mit diesem und jenen; um auf eine Zeitlang mein Elend zu vergessen. Jch blieb da gewöhnlich bis 10 Uhr Abends. Jch ließ nicht leicht einen unangeredet weggehen, und da ich von allem möglichen sprechen konnte, so hatte ich immer Stoff zur Unterredung. Meine Lern- und Forschbegierde war beinahe zur Leidenschaft geworden.


Positiv stehen, welches er nach meinem Tode, da ich nicht musikalisch bin, oder wenn ich Alters wegen den Dienst nicht mehr versehen kann, will in die Kirche setzen lassen. Wenn Sie daher Musik verstuͤnden, so glaubte ichs wohl dahin zu bringen, daß Sie mein Nachfolger wuͤrden. Schon wieder eine neue Hofnung! dachte ich, aber wenig Aussichten dazu, (denn wo sollte ich die Kenntniß des Klaviers hernehmen) und reißte mit meinem Freund wieder ab.

Jch kehrte nun zu meinem alten Elende wieder zuruͤck. Meine Beduͤrfnisse waren zwar wenig; allein auch diese wenigen konnte ich mir nicht verschaffen. Bange Sorgen der Zukunft — Mangel an Unterhalt, keine Beschaͤftigung, nichts, das meine Seele in Thaͤtigkeit setzen konnte; mein Leben war sehr einfoͤrmig. Es wurde mir eine Jnformation angetragen bei einem hiesigen Buͤrger, der in einer angenehmen Gegend ein Gasthaus hielt. Jch hielt meine Stunde des Nachmittags, weil da immer Gesellschaft war, und ich das gesellschaftliche Leben liebe. Nach der Stunde unterhielt ich mich denn mit diesem und jenen; um auf eine Zeitlang mein Elend zu vergessen. Jch blieb da gewoͤhnlich bis 10 Uhr Abends. Jch ließ nicht leicht einen unangeredet weggehen, und da ich von allem moͤglichen sprechen konnte, so hatte ich immer Stoff zur Unterredung. Meine Lern- und Forschbegierde war beinahe zur Leidenschaft geworden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0020" n="18"/><lb/>
Positiv stehen,                   welches er nach meinem Tode, da ich nicht musikalisch bin, oder wenn ich Alters                   wegen den Dienst nicht mehr versehen kann, will in die Kirche setzen lassen. Wenn                   Sie daher Musik verstu&#x0364;nden, so glaubte ichs wohl dahin zu bringen, daß Sie mein                   Nachfolger wu&#x0364;rden. Schon wieder eine neue Hofnung! dachte ich, aber wenig                   Aussichten dazu, (denn wo sollte ich die Kenntniß des Klaviers hernehmen) und                   reißte mit meinem Freund wieder ab.</p>
            <p>Jch kehrte nun zu meinem alten Elende wieder zuru&#x0364;ck. Meine Bedu&#x0364;rfnisse waren zwar                   wenig; allein auch diese wenigen konnte ich mir nicht verschaffen. Bange Sorgen                   der Zukunft &#x2014; Mangel an Unterhalt, keine Bescha&#x0364;ftigung, nichts, das meine Seele in                   Tha&#x0364;tigkeit setzen konnte; mein Leben war sehr einfo&#x0364;rmig. Es wurde mir eine                   Jnformation angetragen bei einem hiesigen Bu&#x0364;rger, der in einer angenehmen Gegend                   ein Gasthaus hielt. Jch hielt meine Stunde des Nachmittags, weil da immer                   Gesellschaft war, und ich das gesellschaftliche Leben liebe. Nach der Stunde                   unterhielt ich mich denn mit diesem und jenen; um auf eine Zeitlang mein Elend zu                   vergessen. Jch blieb da gewo&#x0364;hnlich bis 10 Uhr Abends. Jch ließ nicht leicht einen                   unangeredet weggehen, und da ich von allem mo&#x0364;glichen sprechen konnte, so hatte ich                   immer Stoff zur Unterredung. Meine Lern- und Forschbegierde war beinahe zur                   Leidenschaft geworden.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0020] Positiv stehen, welches er nach meinem Tode, da ich nicht musikalisch bin, oder wenn ich Alters wegen den Dienst nicht mehr versehen kann, will in die Kirche setzen lassen. Wenn Sie daher Musik verstuͤnden, so glaubte ichs wohl dahin zu bringen, daß Sie mein Nachfolger wuͤrden. Schon wieder eine neue Hofnung! dachte ich, aber wenig Aussichten dazu, (denn wo sollte ich die Kenntniß des Klaviers hernehmen) und reißte mit meinem Freund wieder ab. Jch kehrte nun zu meinem alten Elende wieder zuruͤck. Meine Beduͤrfnisse waren zwar wenig; allein auch diese wenigen konnte ich mir nicht verschaffen. Bange Sorgen der Zukunft — Mangel an Unterhalt, keine Beschaͤftigung, nichts, das meine Seele in Thaͤtigkeit setzen konnte; mein Leben war sehr einfoͤrmig. Es wurde mir eine Jnformation angetragen bei einem hiesigen Buͤrger, der in einer angenehmen Gegend ein Gasthaus hielt. Jch hielt meine Stunde des Nachmittags, weil da immer Gesellschaft war, und ich das gesellschaftliche Leben liebe. Nach der Stunde unterhielt ich mich denn mit diesem und jenen; um auf eine Zeitlang mein Elend zu vergessen. Jch blieb da gewoͤhnlich bis 10 Uhr Abends. Jch ließ nicht leicht einen unangeredet weggehen, und da ich von allem moͤglichen sprechen konnte, so hatte ich immer Stoff zur Unterredung. Meine Lern- und Forschbegierde war beinahe zur Leidenschaft geworden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/20
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/20>, abgerufen am 29.03.2024.