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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.

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sehr weitläuftigen Briefwechsel hat, meine Briefe verbat? Jch glaubte Zorn in seinem Briefe zu sehen; da es doch weiter nichts als die Sprache des Wohlthäters gegen den Dürftigen war; die Sprache eines Vornehmen, der sich seiner Grösse bewußt ist -- gegen einen stolzen Armen, den herablassender Ton von einem höhern, nur Nahrung seines Stolzes würde gewesen seyn. So suchte ich mirs bei kälterm Blute zu erklären, und man wird sehen, daß auch hieran mein Stolz wieder grossen Antheil hatte: denn ich suchte bald den Gedanken von Verachtung wieder zu verscheuchen.

Jndessen bewieß es die Folge, daß der Herr v. R.** keinesweges zornig auf mich war. Ehe ich aber dieß beweise, muß ich mehrere Vorfälle nachholen.

Jch wurde mit einem jungen B** bekannt, mit dem ich bald sehr vertraut wurde. Er beredete mich mit ihm zu seinem Vater zu reisen, der in der Altmark auf einem Dorfe Kantor war, und da ich wenig zu versäumen hatte, auch wirklich in meiner Lage Zerstreuung bedurfte, und auf einige Tage ohne Nahrungssorge seyn sollte, so ergrif ichs mit beiden Händen -- Wir hielten uns vierzehn Tage auf. Sein Vater, ein alter würdiger Mann, dem ich gefallen mochte, frug mich einst im Scherz, ob ich sein Substitut werden wollte? Jch sagte mit Freuden: Ja! Es ist keine Orgel hier, fuhr er fort, allein der Edelmann hat ein


sehr weitlaͤuftigen Briefwechsel hat, meine Briefe verbat? Jch glaubte Zorn in seinem Briefe zu sehen; da es doch weiter nichts als die Sprache des Wohlthaͤters gegen den Duͤrftigen war; die Sprache eines Vornehmen, der sich seiner Groͤsse bewußt ist — gegen einen stolzen Armen, den herablassender Ton von einem hoͤhern, nur Nahrung seines Stolzes wuͤrde gewesen seyn. So suchte ich mirs bei kaͤlterm Blute zu erklaͤren, und man wird sehen, daß auch hieran mein Stolz wieder grossen Antheil hatte: denn ich suchte bald den Gedanken von Verachtung wieder zu verscheuchen.

Jndessen bewieß es die Folge, daß der Herr v. R.** keinesweges zornig auf mich war. Ehe ich aber dieß beweise, muß ich mehrere Vorfaͤlle nachholen.

Jch wurde mit einem jungen B** bekannt, mit dem ich bald sehr vertraut wurde. Er beredete mich mit ihm zu seinem Vater zu reisen, der in der Altmark auf einem Dorfe Kantor war, und da ich wenig zu versaͤumen hatte, auch wirklich in meiner Lage Zerstreuung bedurfte, und auf einige Tage ohne Nahrungssorge seyn sollte, so ergrif ichs mit beiden Haͤnden — Wir hielten uns vierzehn Tage auf. Sein Vater, ein alter wuͤrdiger Mann, dem ich gefallen mochte, frug mich einst im Scherz, ob ich sein Substitut werden wollte? Jch sagte mit Freuden: Ja! Es ist keine Orgel hier, fuhr er fort, allein der Edelmann hat ein

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[17/0019] sehr weitlaͤuftigen Briefwechsel hat, meine Briefe verbat? Jch glaubte Zorn in seinem Briefe zu sehen; da es doch weiter nichts als die Sprache des Wohlthaͤters gegen den Duͤrftigen war; die Sprache eines Vornehmen, der sich seiner Groͤsse bewußt ist — gegen einen stolzen Armen, den herablassender Ton von einem hoͤhern, nur Nahrung seines Stolzes wuͤrde gewesen seyn. So suchte ich mirs bei kaͤlterm Blute zu erklaͤren, und man wird sehen, daß auch hieran mein Stolz wieder grossen Antheil hatte: denn ich suchte bald den Gedanken von Verachtung wieder zu verscheuchen. Jndessen bewieß es die Folge, daß der Herr v. R.** keinesweges zornig auf mich war. Ehe ich aber dieß beweise, muß ich mehrere Vorfaͤlle nachholen. Jch wurde mit einem jungen B** bekannt, mit dem ich bald sehr vertraut wurde. Er beredete mich mit ihm zu seinem Vater zu reisen, der in der Altmark auf einem Dorfe Kantor war, und da ich wenig zu versaͤumen hatte, auch wirklich in meiner Lage Zerstreuung bedurfte, und auf einige Tage ohne Nahrungssorge seyn sollte, so ergrif ichs mit beiden Haͤnden — Wir hielten uns vierzehn Tage auf. Sein Vater, ein alter wuͤrdiger Mann, dem ich gefallen mochte, frug mich einst im Scherz, ob ich sein Substitut werden wollte? Jch sagte mit Freuden: Ja! Es ist keine Orgel hier, fuhr er fort, allein der Edelmann hat ein

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/19>, abgerufen am 25.04.2024.