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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.

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ich einen ziemlich langen Brief und schilderte ihm meinen ganzen Charakter, so weit ich mich selbst kenne. Jch verschwieg keine meiner Schwächen. Jch bekannte, daß ich stolz, leichtsinnig und sehr empfindlich sei. Daß ich mir einen Weg wünschte angewiesen zu sehen, auf welchem ich meine guten Anlagen ausbilden, und die Fehler meines Temperaments und meiner Erziehung unschädlicher machen könnte. Jch schloß so, wenn er dich ganz kennt, so weiß er am besten, wozu du taugst, und wenn du sonst wozu zu gebrauchen bist, so ist in ihm so viel Willen mit That vereinigt, daß er dir helfen wird.

Die Antwort blieb außen. Jch schrieb wieder und bat um gütige Antwort, und -- ich erhielt sie mit einem Louisd'or und der Erklärung: er verbäte sich fernere Correspondenz und er würde mir, sobald sich Aussichten für mich zeigten, es selbst melden.

Jch weiß es nicht, war ich zu zudringlich; hatte ihm etwas in meinem Briefe mißfallen; genug ich nahm, da ich zumal just in einer üblen Laune war, als ich den Brief erhielt, dieses Verbitten fernerer Correspondenz als ein Zeichen der Verachtung an. Mein Stolz fühlte sich erschrecklich gedemüthiget. Man nehme noch dazu: wieder vereitelte Hofnung, und man wird mirs verzeihen, wenn ich schief sahe. War es denn sehr zu verwundern, daß ein Mann, wie er, der gewiß einen


ich einen ziemlich langen Brief und schilderte ihm meinen ganzen Charakter, so weit ich mich selbst kenne. Jch verschwieg keine meiner Schwaͤchen. Jch bekannte, daß ich stolz, leichtsinnig und sehr empfindlich sei. Daß ich mir einen Weg wuͤnschte angewiesen zu sehen, auf welchem ich meine guten Anlagen ausbilden, und die Fehler meines Temperaments und meiner Erziehung unschaͤdlicher machen koͤnnte. Jch schloß so, wenn er dich ganz kennt, so weiß er am besten, wozu du taugst, und wenn du sonst wozu zu gebrauchen bist, so ist in ihm so viel Willen mit That vereinigt, daß er dir helfen wird.

Die Antwort blieb außen. Jch schrieb wieder und bat um guͤtige Antwort, und — ich erhielt sie mit einem Louisd'or und der Erklaͤrung: er verbaͤte sich fernere Correspondenz und er wuͤrde mir, sobald sich Aussichten fuͤr mich zeigten, es selbst melden.

Jch weiß es nicht, war ich zu zudringlich; hatte ihm etwas in meinem Briefe mißfallen; genug ich nahm, da ich zumal just in einer uͤblen Laune war, als ich den Brief erhielt, dieses Verbitten fernerer Correspondenz als ein Zeichen der Verachtung an. Mein Stolz fuͤhlte sich erschrecklich gedemuͤthiget. Man nehme noch dazu: wieder vereitelte Hofnung, und man wird mirs verzeihen, wenn ich schief sahe. War es denn sehr zu verwundern, daß ein Mann, wie er, der gewiß einen

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[16/0018] ich einen ziemlich langen Brief und schilderte ihm meinen ganzen Charakter, so weit ich mich selbst kenne. Jch verschwieg keine meiner Schwaͤchen. Jch bekannte, daß ich stolz, leichtsinnig und sehr empfindlich sei. Daß ich mir einen Weg wuͤnschte angewiesen zu sehen, auf welchem ich meine guten Anlagen ausbilden, und die Fehler meines Temperaments und meiner Erziehung unschaͤdlicher machen koͤnnte. Jch schloß so, wenn er dich ganz kennt, so weiß er am besten, wozu du taugst, und wenn du sonst wozu zu gebrauchen bist, so ist in ihm so viel Willen mit That vereinigt, daß er dir helfen wird. Die Antwort blieb außen. Jch schrieb wieder und bat um guͤtige Antwort, und — ich erhielt sie mit einem Louisd'or und der Erklaͤrung: er verbaͤte sich fernere Correspondenz und er wuͤrde mir, sobald sich Aussichten fuͤr mich zeigten, es selbst melden. Jch weiß es nicht, war ich zu zudringlich; hatte ihm etwas in meinem Briefe mißfallen; genug ich nahm, da ich zumal just in einer uͤblen Laune war, als ich den Brief erhielt, dieses Verbitten fernerer Correspondenz als ein Zeichen der Verachtung an. Mein Stolz fuͤhlte sich erschrecklich gedemuͤthiget. Man nehme noch dazu: wieder vereitelte Hofnung, und man wird mirs verzeihen, wenn ich schief sahe. War es denn sehr zu verwundern, daß ein Mann, wie er, der gewiß einen

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/18>, abgerufen am 28.03.2024.