Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite


geredet. Er habe ihr Gespräch verstanden und deswegen gesagt: "Kommt mir zu Hülfe, weil ihr so etwas gewahr werdet, damit meine Verwirrung nicht in Raserei übergehe."

Jch kannte einen hypochondrischen Mann, der wichtigen Geschäften vorstand und in denselben -- noch brauchbar war. Er bildete sich ein, daß die Bänder und Muskeln, die seinen Kopf fest hielten, so sehr geschwächt wären, daß zum Hinunterfallen Unachtsamkeit und ein unsanfter Tritt hinreichende Ursachen seyn würden.

Vernünftigerweise und ungezwungen unterstützte er deswegen mit einer Hand den wackelnden Kopf am Kinn.

Zuweilen that er, vom Ungrunde dieser Furcht überzeugt, auf eine kurze Zeit die Hand weg, wenn er merkte, daß die Gesellschaft darauf aufmerksam war; bald aber, wenn er die ängstlichen Zweifel nicht mehr zu bestreiten vermochte, fühlte er schnell, ob noch nichts verschoben sei.

Jch hatte einst eine Nacht am Bette einer Kranken mir sehr werthen Person gesessen; da die Heftigkeit des Fiebers gegen Morgen nachließ und der Kranke ruhig schlief, begab ich mich nach Hause, legte mich ohne Zeitverlust nieder und schlief bald so fest, wie einer, dem ein grosser Theil Sorgen abgenommen ist.

Etwa nach ein paar Stunden erwachte ich, und erblickte, indem ich die Augen aufthat, das


geredet. Er habe ihr Gespraͤch verstanden und deswegen gesagt: »Kommt mir zu Huͤlfe, weil ihr so etwas gewahr werdet, damit meine Verwirrung nicht in Raserei uͤbergehe.«

Jch kannte einen hypochondrischen Mann, der wichtigen Geschaͤften vorstand und in denselben ― noch brauchbar war. Er bildete sich ein, daß die Baͤnder und Muskeln, die seinen Kopf fest hielten, so sehr geschwaͤcht waͤren, daß zum Hinunterfallen Unachtsamkeit und ein unsanfter Tritt hinreichende Ursachen seyn wuͤrden.

Vernuͤnftigerweise und ungezwungen unterstuͤtzte er deswegen mit einer Hand den wackelnden Kopf am Kinn.

Zuweilen that er, vom Ungrunde dieser Furcht uͤberzeugt, auf eine kurze Zeit die Hand weg, wenn er merkte, daß die Gesellschaft darauf aufmerksam war; bald aber, wenn er die aͤngstlichen Zweifel nicht mehr zu bestreiten vermochte, fuͤhlte er schnell, ob noch nichts verschoben sei.

Jch hatte einst eine Nacht am Bette einer Kranken mir sehr werthen Person gesessen; da die Heftigkeit des Fiebers gegen Morgen nachließ und der Kranke ruhig schlief, begab ich mich nach Hause, legte mich ohne Zeitverlust nieder und schlief bald so fest, wie einer, dem ein grosser Theil Sorgen abgenommen ist.

Etwa nach ein paar Stunden erwachte ich, und erblickte, indem ich die Augen aufthat, das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0010" n="10"/><lb/>
geredet. Er habe ihr                         Gespra&#x0364;ch verstanden und deswegen gesagt: »Kommt mir zu Hu&#x0364;lfe, weil ihr so                         etwas gewahr werdet, damit meine Verwirrung nicht in Raserei u&#x0364;bergehe.« </p>
            <p>Jch kannte einen hypochondrischen Mann, der wichtigen Gescha&#x0364;ften vorstand und                         in denselben &#x2015; noch brauchbar war. Er bildete sich ein, daß die Ba&#x0364;nder und                         Muskeln, die seinen Kopf fest hielten, so sehr geschwa&#x0364;cht wa&#x0364;ren, daß zum                         Hinunterfallen Unachtsamkeit und ein unsanfter Tritt hinreichende Ursachen                         seyn wu&#x0364;rden. </p>
            <p>Vernu&#x0364;nftigerweise und ungezwungen unterstu&#x0364;tzte er deswegen mit einer Hand den                         wackelnden Kopf am Kinn. </p>
            <p>Zuweilen that er, vom Ungrunde dieser Furcht u&#x0364;berzeugt, auf eine kurze Zeit                         die Hand weg, wenn er merkte, daß die Gesellschaft darauf aufmerksam war;                         bald aber, wenn er die a&#x0364;ngstlichen Zweifel nicht mehr zu bestreiten                         vermochte, fu&#x0364;hlte er schnell, ob noch nichts verschoben sei. </p>
            <p>Jch hatte einst eine Nacht am Bette einer Kranken mir sehr werthen Person                         gesessen; da die Heftigkeit des Fiebers gegen Morgen nachließ und <choice><corr>der</corr><sic>die</sic></choice> Kranke ruhig                         schlief, begab ich mich nach Hause, legte mich ohne Zeitverlust nieder und                         schlief bald so fest, wie einer, dem ein grosser Theil Sorgen abgenommen                         ist. </p>
            <p>Etwa nach ein paar Stunden erwachte ich, und erblickte, indem ich die Augen                         aufthat, das<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0010] geredet. Er habe ihr Gespraͤch verstanden und deswegen gesagt: »Kommt mir zu Huͤlfe, weil ihr so etwas gewahr werdet, damit meine Verwirrung nicht in Raserei uͤbergehe.« Jch kannte einen hypochondrischen Mann, der wichtigen Geschaͤften vorstand und in denselben ― noch brauchbar war. Er bildete sich ein, daß die Baͤnder und Muskeln, die seinen Kopf fest hielten, so sehr geschwaͤcht waͤren, daß zum Hinunterfallen Unachtsamkeit und ein unsanfter Tritt hinreichende Ursachen seyn wuͤrden. Vernuͤnftigerweise und ungezwungen unterstuͤtzte er deswegen mit einer Hand den wackelnden Kopf am Kinn. Zuweilen that er, vom Ungrunde dieser Furcht uͤberzeugt, auf eine kurze Zeit die Hand weg, wenn er merkte, daß die Gesellschaft darauf aufmerksam war; bald aber, wenn er die aͤngstlichen Zweifel nicht mehr zu bestreiten vermochte, fuͤhlte er schnell, ob noch nichts verschoben sei. Jch hatte einst eine Nacht am Bette einer Kranken mir sehr werthen Person gesessen; da die Heftigkeit des Fiebers gegen Morgen nachließ und der Kranke ruhig schlief, begab ich mich nach Hause, legte mich ohne Zeitverlust nieder und schlief bald so fest, wie einer, dem ein grosser Theil Sorgen abgenommen ist. Etwa nach ein paar Stunden erwachte ich, und erblickte, indem ich die Augen aufthat, das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/10
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/10>, abgerufen am 19.04.2024.