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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784.

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wachen, unruhig, halb nur schläft, und wenn die bestimmte Sensation, die Paroption des Zeitpunktes kömmt, mittelst der paraten sich zugesellenden Jdeen stärker davon afficirt wird.*)

Er hat während dieses letzten Paroxismus auch mit musikalischen Kompositionen sich beschäftiget; sie gespielt auf dem Klavier, und einem anwesenden Freund, den er für seinen Bedienten nahm, befohlen, was er spielte gleich auf Noten ihm nachzusetzen. Da dieser sich stellte, als ob er nachschriebe, ließ Ch. sich hernach das Papier geben, auf welches jener aber gar nichts geschrieben hatte.

Ohne zu bemerken, daß gar nichts darauf stand, schimpfte Ch. nur auf ihn wegen der vielen Fehler, die er gemacht habe, und zeigte einen um den andern an.**)


*) Man sieht aber aus diesem Vorfall, was auch unabsichtlich wirkende, nicht von der Vernunft aufgestellte Jdeen vermögen; wie etwas Betrügerei, Verstellung scheinen kann, was es im mindesten nicht ist.
**) Dieser sein Freund und mein geschickter Zuhörer sagte mir noch diesen merkwürdigen Umstand, daß er in seiner etliche Stunden fortwährenden Rede über die Zahl 6, und alles was damit vorzunehmen, auf einmal sich selbst unterbrach mit den Worten: Aber ich möchte nur wissen, wie meine Seele so auf die Zahl 6. gekommen; gleich darauf aber wieder in seinen theils scharfsinnigen, theils sehr träumerischen Combinationen fortfuhr.


wachen, unruhig, halb nur schlaͤft, und wenn die bestimmte Sensation, die Paroption des Zeitpunktes koͤmmt, mittelst der paraten sich zugesellenden Jdeen staͤrker davon afficirt wird.*)

Er hat waͤhrend dieses letzten Paroxismus auch mit musikalischen Kompositionen sich beschaͤftiget; sie gespielt auf dem Klavier, und einem anwesenden Freund, den er fuͤr seinen Bedienten nahm, befohlen, was er spielte gleich auf Noten ihm nachzusetzen. Da dieser sich stellte, als ob er nachschriebe, ließ Ch. sich hernach das Papier geben, auf welches jener aber gar nichts geschrieben hatte.

Ohne zu bemerken, daß gar nichts darauf stand, schimpfte Ch. nur auf ihn wegen der vielen Fehler, die er gemacht habe, und zeigte einen um den andern an.**)


*) Man sieht aber aus diesem Vorfall, was auch unabsichtlich wirkende, nicht von der Vernunft aufgestellte Jdeen vermoͤgen; wie etwas Betruͤgerei, Verstellung scheinen kann, was es im mindesten nicht ist.
**) Dieser sein Freund und mein geschickter Zuhoͤrer sagte mir noch diesen merkwuͤrdigen Umstand, daß er in seiner etliche Stunden fortwaͤhrenden Rede uͤber die Zahl 6, und alles was damit vorzunehmen, auf einmal sich selbst unterbrach mit den Worten: Aber ich moͤchte nur wissen, wie meine Seele so auf die Zahl 6. gekommen; gleich darauf aber wieder in seinen theils scharfsinnigen, theils sehr traͤumerischen Combinationen fortfuhr.
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[96/0096] wachen, unruhig, halb nur schlaͤft, und wenn die bestimmte Sensation, die Paroption des Zeitpunktes koͤmmt, mittelst der paraten sich zugesellenden Jdeen staͤrker davon afficirt wird.*) Er hat waͤhrend dieses letzten Paroxismus auch mit musikalischen Kompositionen sich beschaͤftiget; sie gespielt auf dem Klavier, und einem anwesenden Freund, den er fuͤr seinen Bedienten nahm, befohlen, was er spielte gleich auf Noten ihm nachzusetzen. Da dieser sich stellte, als ob er nachschriebe, ließ Ch. sich hernach das Papier geben, auf welches jener aber gar nichts geschrieben hatte. Ohne zu bemerken, daß gar nichts darauf stand, schimpfte Ch. nur auf ihn wegen der vielen Fehler, die er gemacht habe, und zeigte einen um den andern an.**) *) Man sieht aber aus diesem Vorfall, was auch unabsichtlich wirkende, nicht von der Vernunft aufgestellte Jdeen vermoͤgen; wie etwas Betruͤgerei, Verstellung scheinen kann, was es im mindesten nicht ist. **) Dieser sein Freund und mein geschickter Zuhoͤrer sagte mir noch diesen merkwuͤrdigen Umstand, daß er in seiner etliche Stunden fortwaͤhrenden Rede uͤber die Zahl 6, und alles was damit vorzunehmen, auf einmal sich selbst unterbrach mit den Worten: Aber ich moͤchte nur wissen, wie meine Seele so auf die Zahl 6. gekommen; gleich darauf aber wieder in seinen theils scharfsinnigen, theils sehr traͤumerischen Combinationen fortfuhr.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784/96>, abgerufen am 29.03.2024.