Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Diese Zeichen aber stellen nicht nur die einfache Bedeutung eines Wortes, sondern auch seine grammatikalische Beschaffenheit dar, wie Persona, Numerus, Tempora, Modi, ja sogar Genera und Casus verschieden sind: auch haben die Adverbia, Konjunktionen und Präpositionen ihre eignen Zeichen. Von den Neulingen aber, welche dieser Uebung beiwohnen, wird nichts verlangt, als die Zeichen der Nennwörter, welche häufig vorkommen.

Jn Zeit von einem Monathe werden also mehr als dreitausend Verba in den öffentlichen Uebungsstunden auf die Weise durchgegangen und wiederholet. Da nun der größte Theil derselben oft wieder vorkömmt, so prägen sie sich so tief ins Gedächtniß ein, daß die Eindrücke nicht nur niemals wieder ausgelöscht werden können, sondern von Tage zu Tage noch immer fester werden.

Ferne sey es also, daß wir die Seelen, welche nach dem Ebenbilde Gottes geschaffen, und aller Unterweisung fähig sind, zwölf bis funfzehn Monathe lang blos mit der Uebung reden zu lernen quälen sollten, als ob es nicht Menschen, die unserer Sorgfalt anvertrauet sind, sondern unvernünftige Thiere wären.

Warum sollen wir sie in der beweinungswürdigen Unwissenheit der nöthigsten Heilswahrheiten lassen, da wir ihnen sowohl von dem Daseyn eines Gottes, als auch von den vorzüglichsten Geheim-


Diese Zeichen aber stellen nicht nur die einfache Bedeutung eines Wortes, sondern auch seine grammatikalische Beschaffenheit dar, wie Persona, Numerus, Tempora, Modi, ja sogar Genera und Casus verschieden sind: auch haben die Adverbia, Konjunktionen und Praͤpositionen ihre eignen Zeichen. Von den Neulingen aber, welche dieser Uebung beiwohnen, wird nichts verlangt, als die Zeichen der Nennwoͤrter, welche haͤufig vorkommen.

Jn Zeit von einem Monathe werden also mehr als dreitausend Verba in den oͤffentlichen Uebungsstunden auf die Weise durchgegangen und wiederholet. Da nun der groͤßte Theil derselben oft wieder vorkoͤmmt, so praͤgen sie sich so tief ins Gedaͤchtniß ein, daß die Eindruͤcke nicht nur niemals wieder ausgeloͤscht werden koͤnnen, sondern von Tage zu Tage noch immer fester werden.

Ferne sey es also, daß wir die Seelen, welche nach dem Ebenbilde Gottes geschaffen, und aller Unterweisung faͤhig sind, zwoͤlf bis funfzehn Monathe lang blos mit der Uebung reden zu lernen quaͤlen sollten, als ob es nicht Menschen, die unserer Sorgfalt anvertrauet sind, sondern unvernuͤnftige Thiere waͤren.

Warum sollen wir sie in der beweinungswuͤrdigen Unwissenheit der noͤthigsten Heilswahrheiten lassen, da wir ihnen sowohl von dem Daseyn eines Gottes, als auch von den vorzuͤglichsten Geheim-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0079" n="79"/><lb/>
            <p>Diese Zeichen aber stellen nicht nur die einfache Bedeutung eines Wortes,                         sondern auch seine grammatikalische Beschaffenheit dar, wie <hi rendition="#aq">Persona, Numerus, Tempora, Modi,</hi> ja sogar <hi rendition="#aq">Genera</hi> und <hi rendition="#aq">Casus</hi> verschieden sind: auch haben die Adverbia, Konjunktionen und Pra&#x0364;positionen                         ihre eignen Zeichen. Von den Neulingen aber, welche dieser Uebung beiwohnen,                         wird nichts verlangt, als die Zeichen der Nennwo&#x0364;rter, welche ha&#x0364;ufig                         vorkommen.</p>
            <p>Jn Zeit von einem Monathe werden also mehr als dreitausend Verba in den                         o&#x0364;ffentlichen Uebungsstunden auf die Weise durchgegangen und wiederholet. Da                         nun der gro&#x0364;ßte Theil derselben oft wieder vorko&#x0364;mmt, so pra&#x0364;gen sie sich so                         tief ins Geda&#x0364;chtniß ein, daß die Eindru&#x0364;cke nicht nur niemals wieder                         ausgelo&#x0364;scht werden ko&#x0364;nnen, sondern von Tage zu Tage noch immer fester                         werden.</p>
            <p>Ferne sey es also, daß wir die Seelen, welche nach dem Ebenbilde Gottes                         geschaffen, und aller Unterweisung fa&#x0364;hig sind, zwo&#x0364;lf bis funfzehn Monathe                         lang blos mit der Uebung reden zu lernen qua&#x0364;len sollten, als ob es nicht                         Menschen, die unserer Sorgfalt anvertrauet sind, sondern unvernu&#x0364;nftige                         Thiere wa&#x0364;ren.</p>
            <p>Warum sollen wir sie in der beweinungswu&#x0364;rdigen Unwissenheit der no&#x0364;thigsten                         Heilswahrheiten lassen, da wir ihnen sowohl von dem Daseyn eines Gottes, als                         auch von den vorzu&#x0364;glichsten Geheim-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0079] Diese Zeichen aber stellen nicht nur die einfache Bedeutung eines Wortes, sondern auch seine grammatikalische Beschaffenheit dar, wie Persona, Numerus, Tempora, Modi, ja sogar Genera und Casus verschieden sind: auch haben die Adverbia, Konjunktionen und Praͤpositionen ihre eignen Zeichen. Von den Neulingen aber, welche dieser Uebung beiwohnen, wird nichts verlangt, als die Zeichen der Nennwoͤrter, welche haͤufig vorkommen. Jn Zeit von einem Monathe werden also mehr als dreitausend Verba in den oͤffentlichen Uebungsstunden auf die Weise durchgegangen und wiederholet. Da nun der groͤßte Theil derselben oft wieder vorkoͤmmt, so praͤgen sie sich so tief ins Gedaͤchtniß ein, daß die Eindruͤcke nicht nur niemals wieder ausgeloͤscht werden koͤnnen, sondern von Tage zu Tage noch immer fester werden. Ferne sey es also, daß wir die Seelen, welche nach dem Ebenbilde Gottes geschaffen, und aller Unterweisung faͤhig sind, zwoͤlf bis funfzehn Monathe lang blos mit der Uebung reden zu lernen quaͤlen sollten, als ob es nicht Menschen, die unserer Sorgfalt anvertrauet sind, sondern unvernuͤnftige Thiere waͤren. Warum sollen wir sie in der beweinungswuͤrdigen Unwissenheit der noͤthigsten Heilswahrheiten lassen, da wir ihnen sowohl von dem Daseyn eines Gottes, als auch von den vorzuͤglichsten Geheim-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784/79
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784/79>, abgerufen am 28.03.2024.