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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784.

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Verstandes zu thun war, und die demohngeachtet fast in jedem Augenblick unsrer Kindheit, dieselbe unvermerkt bewürkten. Diese unsre frühesten Lehrer würden vergeblich die Dinge ein jedes mit seinem eigenthümlichen Nahmen benannt haben, wenn sie nicht unsre Augen durch ein Zeichen mit der Hand, oder durch einen andren Wink, darauf gelenkt hätten.

Diese gleichsam von der Natur vorgeschriebene Methode ist allenthalben befolgt worden, indem man sich dreier Hülfsmittel dabei bediente: zuerst des tönenden Worts, denn der Gegenwart der Objekte, und endlich des Hinblicks mit den Augen.

Eben das ist auch der Fall beim Unterricht der Taubstummen. Denn die Seele bekömmt den Begriff von der Beschaffenheit eines jeden einzelnen Buchstaben nicht durch die allenthalben beständig offne Thür, nehmlich durch die Ohren, sondern durch die Augen, als Fenster, die nur den sichtbaren Gegenständen offen stehen, indem zugleich der Lehrer ihm denselben bezeichnet, damit kein Jrrthum statt finde.

Jndeß nun die Stummen das geschriebene oder gedruckte Alphabet ansehen, lernen sie zugleich ihr Handalphabet, welches Perriere die Daktilologie nennt, und darin besteht, das sie ihre Finger in so verschiedene Lagen bringen, als einzelne Buchstaben nach gewissen Merkzeichen zu unterscheiden sind.



Verstandes zu thun war, und die demohngeachtet fast in jedem Augenblick unsrer Kindheit, dieselbe unvermerkt bewuͤrkten. Diese unsre fruͤhesten Lehrer wuͤrden vergeblich die Dinge ein jedes mit seinem eigenthuͤmlichen Nahmen benannt haben, wenn sie nicht unsre Augen durch ein Zeichen mit der Hand, oder durch einen andren Wink, darauf gelenkt haͤtten.

Diese gleichsam von der Natur vorgeschriebene Methode ist allenthalben befolgt worden, indem man sich dreier Huͤlfsmittel dabei bediente: zuerst des toͤnenden Worts, denn der Gegenwart der Objekte, und endlich des Hinblicks mit den Augen.

Eben das ist auch der Fall beim Unterricht der Taubstummen. Denn die Seele bekoͤmmt den Begriff von der Beschaffenheit eines jeden einzelnen Buchstaben nicht durch die allenthalben bestaͤndig offne Thuͤr, nehmlich durch die Ohren, sondern durch die Augen, als Fenster, die nur den sichtbaren Gegenstaͤnden offen stehen, indem zugleich der Lehrer ihm denselben bezeichnet, damit kein Jrrthum statt finde.

Jndeß nun die Stummen das geschriebene oder gedruckte Alphabet ansehen, lernen sie zugleich ihr Handalphabet, welches Perriere die Daktilologie nennt, und darin besteht, das sie ihre Finger in so verschiedene Lagen bringen, als einzelne Buchstaben nach gewissen Merkzeichen zu unterscheiden sind.


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[75/0075] Verstandes zu thun war, und die demohngeachtet fast in jedem Augenblick unsrer Kindheit, dieselbe unvermerkt bewuͤrkten. Diese unsre fruͤhesten Lehrer wuͤrden vergeblich die Dinge ein jedes mit seinem eigenthuͤmlichen Nahmen benannt haben, wenn sie nicht unsre Augen durch ein Zeichen mit der Hand, oder durch einen andren Wink, darauf gelenkt haͤtten. Diese gleichsam von der Natur vorgeschriebene Methode ist allenthalben befolgt worden, indem man sich dreier Huͤlfsmittel dabei bediente: zuerst des toͤnenden Worts, denn der Gegenwart der Objekte, und endlich des Hinblicks mit den Augen. Eben das ist auch der Fall beim Unterricht der Taubstummen. Denn die Seele bekoͤmmt den Begriff von der Beschaffenheit eines jeden einzelnen Buchstaben nicht durch die allenthalben bestaͤndig offne Thuͤr, nehmlich durch die Ohren, sondern durch die Augen, als Fenster, die nur den sichtbaren Gegenstaͤnden offen stehen, indem zugleich der Lehrer ihm denselben bezeichnet, damit kein Jrrthum statt finde. Jndeß nun die Stummen das geschriebene oder gedruckte Alphabet ansehen, lernen sie zugleich ihr Handalphabet, welches Perriere die Daktilologie nennt, und darin besteht, das sie ihre Finger in so verschiedene Lagen bringen, als einzelne Buchstaben nach gewissen Merkzeichen zu unterscheiden sind.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784/75>, abgerufen am 28.03.2024.