Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite


der Sache fleißig nach, studirte die menschliche Anerkenntniß, die aufeinander folgenden Aktus der Sprache und ihre Einwirkung und Verbindung, in das Denken, bei hörenden und tauben Menschen. Jch war dabei so glücklich auf psychologische Erscheinungen zu stoßen, die ich vorher nicht gedacht, gehört oder gelesen hatte, und es ergaben sich Resultate, auf die ich eine ganz neue Lehrart bauete und sie auch ausführte.

Sie werden sich davon einen Begrif machen können, wenn Sie eine kleine Schrift, von mir,*) durchzusehen belieben. Und nun bin ich auf dem rechten Flecke: meine Lehrlinge lernen deutlich und mit Verstande laut lesen und sprechen: sie denken in ihrer articulirten Sprache wachend und träumend, ein Jeder kann mit ihnen sprechen, wenn er nur langsam spricht und, die Schriftsprache ruhet auf ihrer Tonsprache, von der sie zwar nichts hören, sondern sie nur durch einen andern Sinn empfinden, welches aber gleichviel ist. Der Anfang dazu ist freilich erbärmlicher Singsang, aber in zwey, drei Jahren sprechen sie gut, vernehmlich und sie lernen endlich auch declamiren.


*) Beobachtungen über Stumme und die menschliche Sprache.


der Sache fleißig nach, studirte die menschliche Anerkenntniß, die aufeinander folgenden Aktus der Sprache und ihre Einwirkung und Verbindung, in das Denken, bei hoͤrenden und tauben Menschen. Jch war dabei so gluͤcklich auf psychologische Erscheinungen zu stoßen, die ich vorher nicht gedacht, gehoͤrt oder gelesen hatte, und es ergaben sich Resultate, auf die ich eine ganz neue Lehrart bauete und sie auch ausfuͤhrte.

Sie werden sich davon einen Begrif machen koͤnnen, wenn Sie eine kleine Schrift, von mir,*) durchzusehen belieben. Und nun bin ich auf dem rechten Flecke: meine Lehrlinge lernen deutlich und mit Verstande laut lesen und sprechen: sie denken in ihrer articulirten Sprache wachend und traͤumend, ein Jeder kann mit ihnen sprechen, wenn er nur langsam spricht und, die Schriftsprache ruhet auf ihrer Tonsprache, von der sie zwar nichts hoͤren, sondern sie nur durch einen andern Sinn empfinden, welches aber gleichviel ist. Der Anfang dazu ist freilich erbaͤrmlicher Singsang, aber in zwey, drei Jahren sprechen sie gut, vernehmlich und sie lernen endlich auch declamiren.


*) Beobachtungen uͤber Stumme und die menschliche Sprache.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0072" n="72"/><lb/>
der Sache fleißig nach, studirte die                         menschliche Anerkenntniß, die aufeinander folgenden Aktus der Sprache und                         ihre Einwirkung und Verbindung, in das Denken, bei ho&#x0364;renden und tauben                         Menschen. Jch war dabei so glu&#x0364;cklich auf psychologische Erscheinungen zu                         stoßen, die ich vorher nicht gedacht, geho&#x0364;rt oder gelesen hatte, und es                         ergaben sich Resultate, auf die ich eine ganz neue Lehrart bauete und sie                         auch ausfu&#x0364;hrte.</p>
            <p>Sie werden sich davon einen Begrif machen ko&#x0364;nnen, wenn Sie eine kleine                         Schrift, von mir,*)<note place="foot"><p>*) Beobachtungen u&#x0364;ber Stumme und die                                 menschliche Sprache.</p></note> durchzusehen belieben. Und nun                         bin ich auf dem rechten Flecke: meine Lehrlinge lernen deutlich und mit                         Verstande laut lesen und sprechen: sie denken in ihrer articulirten Sprache                         wachend und tra&#x0364;umend, ein Jeder kann mit ihnen sprechen, wenn er nur langsam                         spricht und, die Schriftsprache ruhet auf ihrer Tonsprache, von der sie zwar                         nichts ho&#x0364;ren, sondern sie nur durch einen andern Sinn empfinden, welches                         aber gleichviel ist. Der Anfang dazu ist freilich erba&#x0364;rmlicher Singsang,                         aber in zwey, drei Jahren sprechen sie gut, vernehmlich und sie lernen                         endlich auch declamiren.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0072] der Sache fleißig nach, studirte die menschliche Anerkenntniß, die aufeinander folgenden Aktus der Sprache und ihre Einwirkung und Verbindung, in das Denken, bei hoͤrenden und tauben Menschen. Jch war dabei so gluͤcklich auf psychologische Erscheinungen zu stoßen, die ich vorher nicht gedacht, gehoͤrt oder gelesen hatte, und es ergaben sich Resultate, auf die ich eine ganz neue Lehrart bauete und sie auch ausfuͤhrte. Sie werden sich davon einen Begrif machen koͤnnen, wenn Sie eine kleine Schrift, von mir,*) durchzusehen belieben. Und nun bin ich auf dem rechten Flecke: meine Lehrlinge lernen deutlich und mit Verstande laut lesen und sprechen: sie denken in ihrer articulirten Sprache wachend und traͤumend, ein Jeder kann mit ihnen sprechen, wenn er nur langsam spricht und, die Schriftsprache ruhet auf ihrer Tonsprache, von der sie zwar nichts hoͤren, sondern sie nur durch einen andern Sinn empfinden, welches aber gleichviel ist. Der Anfang dazu ist freilich erbaͤrmlicher Singsang, aber in zwey, drei Jahren sprechen sie gut, vernehmlich und sie lernen endlich auch declamiren. *) Beobachtungen uͤber Stumme und die menschliche Sprache.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784/72
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784/72>, abgerufen am 20.04.2024.