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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784.

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Dieser hatte freilich einige Nachläßigkeiten in Antons Schreib- und Rechenbuche passieren lassen, worüber sein Vater aufgebracht war.

Anton nahm mit dem größten Eifer alle Schuld auf sich, und versprach und gelobte, was nur in seinen Kräften stand, aber alles half nichts; er mußte seinen alten treuen Lehrer verlassen, und zu Ende des Monaths anfangen, in der öffentlichen Stadtschule schreiben zu lernen.

Diese beiden Schläge auf einmal waren für Anton zu hart. Er wollte sich noch an die letzte Stütze halten, und sich von seinen ehemaligen Mitschülern jedes aufgegebene Pensum sagen lassen, um es zu Hause zu lernen, und auf die Weise mit ihnen fortzurücken, als aber auch dieß nicht gehen wollte, so erlag seine bisherige Tugend und Frömmigkeit, und er ward wirklich eine zeitlang aus einer Art von Mißmuth und Verzweiflung, was man einen bösen Buben nennen kann.

Er zog sich muthwilliger Weise in der Schule Schläge zu, und hielt sie alsdann mit Trotz und Standhaftigkeit aus, ohne eine Miene zu verziehn, und dieß machte ihm dazu ein Vergnügen, daß ihm noch lange in der Erinnerung angenehm war.

Er schlug und balgte sich mit Straßenbuben, versäumte die Lehrstunden in der Schule, und quälte einen Hund, den seine Eltern hatten, wie und wo er nur konnte.



Dieser hatte freilich einige Nachlaͤßigkeiten in Antons Schreib- und Rechenbuche passieren lassen, woruͤber sein Vater aufgebracht war.

Anton nahm mit dem groͤßten Eifer alle Schuld auf sich, und versprach und gelobte, was nur in seinen Kraͤften stand, aber alles half nichts; er mußte seinen alten treuen Lehrer verlassen, und zu Ende des Monaths anfangen, in der oͤffentlichen Stadtschule schreiben zu lernen.

Diese beiden Schlaͤge auf einmal waren fuͤr Anton zu hart. Er wollte sich noch an die letzte Stuͤtze halten, und sich von seinen ehemaligen Mitschuͤlern jedes aufgegebene Pensum sagen lassen, um es zu Hause zu lernen, und auf die Weise mit ihnen fortzuruͤcken, als aber auch dieß nicht gehen wollte, so erlag seine bisherige Tugend und Froͤmmigkeit, und er ward wirklich eine zeitlang aus einer Art von Mißmuth und Verzweiflung, was man einen boͤsen Buben nennen kann.

Er zog sich muthwilliger Weise in der Schule Schlaͤge zu, und hielt sie alsdann mit Trotz und Standhaftigkeit aus, ohne eine Miene zu verziehn, und dieß machte ihm dazu ein Vergnuͤgen, daß ihm noch lange in der Erinnerung angenehm war.

Er schlug und balgte sich mit Straßenbuben, versaͤumte die Lehrstunden in der Schule, und quaͤlte einen Hund, den seine Eltern hatten, wie und wo er nur konnte.


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[23/0023] Dieser hatte freilich einige Nachlaͤßigkeiten in Antons Schreib- und Rechenbuche passieren lassen, woruͤber sein Vater aufgebracht war. Anton nahm mit dem groͤßten Eifer alle Schuld auf sich, und versprach und gelobte, was nur in seinen Kraͤften stand, aber alles half nichts; er mußte seinen alten treuen Lehrer verlassen, und zu Ende des Monaths anfangen, in der oͤffentlichen Stadtschule schreiben zu lernen. Diese beiden Schlaͤge auf einmal waren fuͤr Anton zu hart. Er wollte sich noch an die letzte Stuͤtze halten, und sich von seinen ehemaligen Mitschuͤlern jedes aufgegebene Pensum sagen lassen, um es zu Hause zu lernen, und auf die Weise mit ihnen fortzuruͤcken, als aber auch dieß nicht gehen wollte, so erlag seine bisherige Tugend und Froͤmmigkeit, und er ward wirklich eine zeitlang aus einer Art von Mißmuth und Verzweiflung, was man einen boͤsen Buben nennen kann. Er zog sich muthwilliger Weise in der Schule Schlaͤge zu, und hielt sie alsdann mit Trotz und Standhaftigkeit aus, ohne eine Miene zu verziehn, und dieß machte ihm dazu ein Vergnuͤgen, daß ihm noch lange in der Erinnerung angenehm war. Er schlug und balgte sich mit Straßenbuben, versaͤumte die Lehrstunden in der Schule, und quaͤlte einen Hund, den seine Eltern hatten, wie und wo er nur konnte.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784/23>, abgerufen am 28.03.2024.