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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783.

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Man ergründe meine jetzige Geisteskräfte, besonders wenn sie auf Arbeiten, die mein Fach sind, angewandt werden, man wird finden, daß sie so wenig als gar nichts leisten -- Der Kopf verliert sich in Grübeleien, in dem Wunsche, alles recht zu machen, und in der Besorgniß, die die Folge begleitet, nichts Vernünftiges hervorzubringen -- Man balancire dagegen den großen Umfang meiner Pflichten -- und wie richtig wird der Schluß: daß zum Tollseyn nichts übrig bleibt -- Jsts nun nicht vernünftiger, der Rechnung ein Ende zu machen, als die unvermögenden Geisteskräfte mit mehreren Schulden zu häufen? -- Nicht besser, die Null davon zu rücken, auszustreichen, als durch sie tausend Uebel entstehen zu lassen?

O möchte die Nachwelt dieß zu meiner Entschuldigung dienen lassen! Dank dir, lieber Gott, wenn du mit mir mein Elend hinwegschafst, und o, möchtest du alles Unheil andern Menschen auf eine gelindere Art abnehmen! -- Dir sey meine gute, würdige Gattin zur bessern Versorgung empfohlen -- Oefne ihr die Augen, daß sie durch meinen Verlust nicht verliert, sondern gewinnt -- Die Reichen unter ihren Verwandten müssen vor der Hand -- und dann wollest du weiter für sie sorgen -- Vergelte, mein Gott, auch allen denen, die mir während der Zeit meines Hierseyns manche vergnügte Stunde gemacht, jede derselben mit tausendfältigen Wohlthaten, und erhöre dieß letzte Gebet.



Man ergruͤnde meine jetzige Geisteskraͤfte, besonders wenn sie auf Arbeiten, die mein Fach sind, angewandt werden, man wird finden, daß sie so wenig als gar nichts leisten ― Der Kopf verliert sich in Gruͤbeleien, in dem Wunsche, alles recht zu machen, und in der Besorgniß, die die Folge begleitet, nichts Vernuͤnftiges hervorzubringen ― Man balancire dagegen den großen Umfang meiner Pflichten ― und wie richtig wird der Schluß: daß zum Tollseyn nichts uͤbrig bleibt ― Jsts nun nicht vernuͤnftiger, der Rechnung ein Ende zu machen, als die unvermoͤgenden Geisteskraͤfte mit mehreren Schulden zu haͤufen? ― Nicht besser, die Null davon zu ruͤcken, auszustreichen, als durch sie tausend Uebel entstehen zu lassen?

O moͤchte die Nachwelt dieß zu meiner Entschuldigung dienen lassen! Dank dir, lieber Gott, wenn du mit mir mein Elend hinwegschafst, und o, moͤchtest du alles Unheil andern Menschen auf eine gelindere Art abnehmen! ― Dir sey meine gute, wuͤrdige Gattin zur bessern Versorgung empfohlen ― Oefne ihr die Augen, daß sie durch meinen Verlust nicht verliert, sondern gewinnt ― Die Reichen unter ihren Verwandten muͤssen vor der Hand ― und dann wollest du weiter fuͤr sie sorgen ― Vergelte, mein Gott, auch allen denen, die mir waͤhrend der Zeit meines Hierseyns manche vergnuͤgte Stunde gemacht, jede derselben mit tausendfaͤltigen Wohlthaten, und erhoͤre dieß letzte Gebet.


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[39/0043] Man ergruͤnde meine jetzige Geisteskraͤfte, besonders wenn sie auf Arbeiten, die mein Fach sind, angewandt werden, man wird finden, daß sie so wenig als gar nichts leisten ― Der Kopf verliert sich in Gruͤbeleien, in dem Wunsche, alles recht zu machen, und in der Besorgniß, die die Folge begleitet, nichts Vernuͤnftiges hervorzubringen ― Man balancire dagegen den großen Umfang meiner Pflichten ― und wie richtig wird der Schluß: daß zum Tollseyn nichts uͤbrig bleibt ― Jsts nun nicht vernuͤnftiger, der Rechnung ein Ende zu machen, als die unvermoͤgenden Geisteskraͤfte mit mehreren Schulden zu haͤufen? ― Nicht besser, die Null davon zu ruͤcken, auszustreichen, als durch sie tausend Uebel entstehen zu lassen? O moͤchte die Nachwelt dieß zu meiner Entschuldigung dienen lassen! Dank dir, lieber Gott, wenn du mit mir mein Elend hinwegschafst, und o, moͤchtest du alles Unheil andern Menschen auf eine gelindere Art abnehmen! ― Dir sey meine gute, wuͤrdige Gattin zur bessern Versorgung empfohlen ― Oefne ihr die Augen, daß sie durch meinen Verlust nicht verliert, sondern gewinnt ― Die Reichen unter ihren Verwandten muͤssen vor der Hand ― und dann wollest du weiter fuͤr sie sorgen ― Vergelte, mein Gott, auch allen denen, die mir waͤhrend der Zeit meines Hierseyns manche vergnuͤgte Stunde gemacht, jede derselben mit tausendfaͤltigen Wohlthaten, und erhoͤre dieß letzte Gebet.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/43>, abgerufen am 29.03.2024.