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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.

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Wer weiß, dachte ich, ob er nicht seine eigenen ordentlichen Gedanken so gut für sich hat, als ich jetzt die meinigen, und nur deswegen nicht sprechen will, weil er weiß und empfindet, daß er seiner innersten Sprachorganen nicht Meister ist, sich also scheuet, im Sprechen wahnwitzig zu erscheinen, da er es im Denken nicht ist?

Weitere Schlüsse aus meiner gehabten Erfahrung zu machen, will ich mir ja nicht herausnehmen, ob ich gleich sehr wünsche, die folgende Bedenklichkeit aufgekläret zu sehen: wenn die ganze Denkkraft von dem jedesmaligen Zustande des Gehirnes abhängt, oder eigentlich darinn liegt, so muß, in meinem Fall, der eine Theil meines Gehirns gesund, in gehöriger Lage und Ordnung, der andere in unordentlicher, verwirrter Bewegung gewesen seyn. Und welcher von beiden sagte denn: ich? unterschied die durch einander kreuzenden Vorstellungen von sich selber? urtheilete von der Unrichtigkeit derselben? fühlte so innig sich selbst, als etwas ganz anderes und abgesondertes von jenen? Wie viel oder wie wenig daraus zu folgern sey, überlasse ich gerne der Entscheidung der Sachkundigern.

J. J. Spalding.



Wer weiß, dachte ich, ob er nicht seine eigenen ordentlichen Gedanken so gut fuͤr sich hat, als ich jetzt die meinigen, und nur deswegen nicht sprechen will, weil er weiß und empfindet, daß er seiner innersten Sprachorganen nicht Meister ist, sich also scheuet, im Sprechen wahnwitzig zu erscheinen, da er es im Denken nicht ist?

Weitere Schluͤsse aus meiner gehabten Erfahrung zu machen, will ich mir ja nicht herausnehmen, ob ich gleich sehr wuͤnsche, die folgende Bedenklichkeit aufgeklaͤret zu sehen: wenn die ganze Denkkraft von dem jedesmaligen Zustande des Gehirnes abhaͤngt, oder eigentlich darinn liegt, so muß, in meinem Fall, der eine Theil meines Gehirns gesund, in gehoͤriger Lage und Ordnung, der andere in unordentlicher, verwirrter Bewegung gewesen seyn. Und welcher von beiden sagte denn: ich? unterschied die durch einander kreuzenden Vorstellungen von sich selber? urtheilete von der Unrichtigkeit derselben? fuͤhlte so innig sich selbst, als etwas ganz anderes und abgesondertes von jenen? Wie viel oder wie wenig daraus zu folgern sey, uͤberlasse ich gerne der Entscheidung der Sachkundigern.

J. J. Spalding.


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[43/0047] Wer weiß, dachte ich, ob er nicht seine eigenen ordentlichen Gedanken so gut fuͤr sich hat, als ich jetzt die meinigen, und nur deswegen nicht sprechen will, weil er weiß und empfindet, daß er seiner innersten Sprachorganen nicht Meister ist, sich also scheuet, im Sprechen wahnwitzig zu erscheinen, da er es im Denken nicht ist? Weitere Schluͤsse aus meiner gehabten Erfahrung zu machen, will ich mir ja nicht herausnehmen, ob ich gleich sehr wuͤnsche, die folgende Bedenklichkeit aufgeklaͤret zu sehen: wenn die ganze Denkkraft von dem jedesmaligen Zustande des Gehirnes abhaͤngt, oder eigentlich darinn liegt, so muß, in meinem Fall, der eine Theil meines Gehirns gesund, in gehoͤriger Lage und Ordnung, der andere in unordentlicher, verwirrter Bewegung gewesen seyn. Und welcher von beiden sagte denn: ich? unterschied die durch einander kreuzenden Vorstellungen von sich selber? urtheilete von der Unrichtigkeit derselben? fuͤhlte so innig sich selbst, als etwas ganz anderes und abgesondertes von jenen? Wie viel oder wie wenig daraus zu folgern sey, uͤberlasse ich gerne der Entscheidung der Sachkundigern. J. J. Spalding.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/47>, abgerufen am 29.03.2024.