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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.

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Setzt man aber den Fall, daß einer oder der andre der Herren Professoren, Jnspektoren, oder Alumnen, sich für ein solches Lehrgebäude zu erklären, durch die Stärke der Gründe hingerissen worden, was für eine Figur wird dieser in dem Gebet vorstellen.--

Aber ist es möglich, daß ein vernünftiger, ein denkender Mensch, auf ein System fallen kann, in welchem kein Gebet statt findet? Wer diesen Einwurf macht, der möchte sich wohl noch nicht sehr mit freien Spekulationen abgegeben haben. Es ist mehr als möglich! Um sich hiervon kurz zu überzeugen, lese man nur, wenn man die Systeme nicht selbst lesen will, des Herrn Bruckers Historiam Philosophiae. Wer sich in diesem Felde ein wenig umgesehen hat, der wird wissen, daß die größten und berühmtesten Denker auf solche Systeme gefallen sind. Wenn ich nicht sehr irre, so kann man behaupten, ohne sich für ein solches System zu erklären (denn ein Denker wird sich nicht leicht für ein System erklären) daß die Lehrgebäude, in welchen das Gebet ausgeschlossen ist, mit eben so vieler, wo nicht mit mehrerer Gründlichkeit aufgeführet sind, als diejenigen, welche dasselbe in sich schließen."

Nachdem der Verfasser alle seine Gründe für die Abschaffung des öffentlichen Schulgebets gesagt hat, schließt er seinen Aufsatz, auf eine so bescheidne als vernünftige Art, wie folget:



Setzt man aber den Fall, daß einer oder der andre der Herren Professoren, Jnspektoren, oder Alumnen, sich fuͤr ein solches Lehrgebaͤude zu erklaͤren, durch die Staͤrke der Gruͤnde hingerissen worden, was fuͤr eine Figur wird dieser in dem Gebet vorstellen.—

Aber ist es moͤglich, daß ein vernuͤnftiger, ein denkender Mensch, auf ein System fallen kann, in welchem kein Gebet statt findet? Wer diesen Einwurf macht, der moͤchte sich wohl noch nicht sehr mit freien Spekulationen abgegeben haben. Es ist mehr als moͤglich! Um sich hiervon kurz zu uͤberzeugen, lese man nur, wenn man die Systeme nicht selbst lesen will, des Herrn Bruckers Historiam Philosophiæ. Wer sich in diesem Felde ein wenig umgesehen hat, der wird wissen, daß die groͤßten und beruͤhmtesten Denker auf solche Systeme gefallen sind. Wenn ich nicht sehr irre, so kann man behaupten, ohne sich fuͤr ein solches System zu erklaͤren (denn ein Denker wird sich nicht leicht fuͤr ein System erklaͤren) daß die Lehrgebaͤude, in welchen das Gebet ausgeschlossen ist, mit eben so vieler, wo nicht mit mehrerer Gruͤndlichkeit aufgefuͤhret sind, als diejenigen, welche dasselbe in sich schließen.«

Nachdem der Verfasser alle seine Gruͤnde fuͤr die Abschaffung des oͤffentlichen Schulgebets gesagt hat, schließt er seinen Aufsatz, auf eine so bescheidne als vernuͤnftige Art, wie folget:


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[20/0024] Setzt man aber den Fall, daß einer oder der andre der Herren Professoren, Jnspektoren, oder Alumnen, sich fuͤr ein solches Lehrgebaͤude zu erklaͤren, durch die Staͤrke der Gruͤnde hingerissen worden, was fuͤr eine Figur wird dieser in dem Gebet vorstellen.— Aber ist es moͤglich, daß ein vernuͤnftiger, ein denkender Mensch, auf ein System fallen kann, in welchem kein Gebet statt findet? Wer diesen Einwurf macht, der moͤchte sich wohl noch nicht sehr mit freien Spekulationen abgegeben haben. Es ist mehr als moͤglich! Um sich hiervon kurz zu uͤberzeugen, lese man nur, wenn man die Systeme nicht selbst lesen will, des Herrn Bruckers Historiam Philosophiæ. Wer sich in diesem Felde ein wenig umgesehen hat, der wird wissen, daß die groͤßten und beruͤhmtesten Denker auf solche Systeme gefallen sind. Wenn ich nicht sehr irre, so kann man behaupten, ohne sich fuͤr ein solches System zu erklaͤren (denn ein Denker wird sich nicht leicht fuͤr ein System erklaͤren) daß die Lehrgebaͤude, in welchen das Gebet ausgeschlossen ist, mit eben so vieler, wo nicht mit mehrerer Gruͤndlichkeit aufgefuͤhret sind, als diejenigen, welche dasselbe in sich schließen.« Nachdem der Verfasser alle seine Gruͤnde fuͤr die Abschaffung des oͤffentlichen Schulgebets gesagt hat, schließt er seinen Aufsatz, auf eine so bescheidne als vernuͤnftige Art, wie folget:

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/24>, abgerufen am 23.04.2024.