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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.

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Drei Tage vorher, ehe er den Mord beging, spielte er auf eben dem Kirchhofe, wo er die geistlichen und guten Gespräche führte, mit den kleinen Kindern, um eins davon zu tödten, wenn ihn nicht die Menge von Menschen gehindert hätte, seine That, so wie er gewünscht, zu vollführen.

Endlich am 23sten May gegen Abend hielt ihn nichts mehr ab, sein schreckliches Vorhaben ins Werk zu richten. Ein kleines Mädchen, daß zuweilen mit des Feldwebels Tochter zu spielen kam, dessen Eltern er aber nicht kannte, kam auch diesen Abend in das Haus, wo Völkner im Quartier lag. Sein Wirth nebst seinen Schlafkameraden waren ohngefähr eine Stunde vorher ausgegangen. Er rief also die beiden Mädchen in die Stube und theilte erst seine Abendmahlzeit mit ihnen, worauf er dem einen Mädchen die Stirn überbog, und ihr mit einem Messer, daß er, seiner eignen Aussage nach, schon einige Tage vorher hiezu gewetzt hatte, die Gurgel durchschnitt. Das andere Mädchen, welches noch etwas grösser war, sagte während der That zu ihm: was machst Du da? als er es aber bedrohete, schwieg es. Nach verrichteter That ging er sogleich auf die Hauptwache, und gab sich selber an, wobei er gestand, daß ihm nun seine That leid sey. Er ward sogleich in Verhaft genommen, schlief aber die Nacht ganz ruhig: denn seiner eignen Aussage nach hatte sich die Aengstlich-


Drei Tage vorher, ehe er den Mord beging, spielte er auf eben dem Kirchhofe, wo er die geistlichen und guten Gespraͤche fuͤhrte, mit den kleinen Kindern, um eins davon zu toͤdten, wenn ihn nicht die Menge von Menschen gehindert haͤtte, seine That, so wie er gewuͤnscht, zu vollfuͤhren.

Endlich am 23sten May gegen Abend hielt ihn nichts mehr ab, sein schreckliches Vorhaben ins Werk zu richten. Ein kleines Maͤdchen, daß zuweilen mit des Feldwebels Tochter zu spielen kam, dessen Eltern er aber nicht kannte, kam auch diesen Abend in das Haus, wo Voͤlkner im Quartier lag. Sein Wirth nebst seinen Schlafkameraden waren ohngefaͤhr eine Stunde vorher ausgegangen. Er rief also die beiden Maͤdchen in die Stube und theilte erst seine Abendmahlzeit mit ihnen, worauf er dem einen Maͤdchen die Stirn uͤberbog, und ihr mit einem Messer, daß er, seiner eignen Aussage nach, schon einige Tage vorher hiezu gewetzt hatte, die Gurgel durchschnitt. Das andere Maͤdchen, welches noch etwas groͤsser war, sagte waͤhrend der That zu ihm: was machst Du da? als er es aber bedrohete, schwieg es. Nach verrichteter That ging er sogleich auf die Hauptwache, und gab sich selber an, wobei er gestand, daß ihm nun seine That leid sey. Er ward sogleich in Verhaft genommen, schlief aber die Nacht ganz ruhig: denn seiner eignen Aussage nach hatte sich die Aengstlich-

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[15/0019] Drei Tage vorher, ehe er den Mord beging, spielte er auf eben dem Kirchhofe, wo er die geistlichen und guten Gespraͤche fuͤhrte, mit den kleinen Kindern, um eins davon zu toͤdten, wenn ihn nicht die Menge von Menschen gehindert haͤtte, seine That, so wie er gewuͤnscht, zu vollfuͤhren. Endlich am 23sten May gegen Abend hielt ihn nichts mehr ab, sein schreckliches Vorhaben ins Werk zu richten. Ein kleines Maͤdchen, daß zuweilen mit des Feldwebels Tochter zu spielen kam, dessen Eltern er aber nicht kannte, kam auch diesen Abend in das Haus, wo Voͤlkner im Quartier lag. Sein Wirth nebst seinen Schlafkameraden waren ohngefaͤhr eine Stunde vorher ausgegangen. Er rief also die beiden Maͤdchen in die Stube und theilte erst seine Abendmahlzeit mit ihnen, worauf er dem einen Maͤdchen die Stirn uͤberbog, und ihr mit einem Messer, daß er, seiner eignen Aussage nach, schon einige Tage vorher hiezu gewetzt hatte, die Gurgel durchschnitt. Das andere Maͤdchen, welches noch etwas groͤsser war, sagte waͤhrend der That zu ihm: was machst Du da? als er es aber bedrohete, schwieg es. Nach verrichteter That ging er sogleich auf die Hauptwache, und gab sich selber an, wobei er gestand, daß ihm nun seine That leid sey. Er ward sogleich in Verhaft genommen, schlief aber die Nacht ganz ruhig: denn seiner eignen Aussage nach hatte sich die Aengstlich-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/19>, abgerufen am 24.04.2024.