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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.

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ner zu hochgetriebenen Heiligkeit etwas aufzuziehen, indem er zu ihm sagte: es sey doch unrecht, daß einige Leute so ganz auszeichnend fromm seyn, und dadurch anzeigen wollten, als wenn sie allein nur die wären, die der Seeligkeit theilhaftig werden könnten. Völkner antwortete darauf, daß sey von ihm sehr unrecht gedacht, man müsse seelig werden, und kurz darauf rief er heftig aus: ich will, ich muß seelig werden! Diese Worte wiederholte er einigemale mit barscher Stimme, wobei er stark mit den Händen fochte, und sich im Bette herumwarf. Nachdem er sich nun noch eine ganze Weile mit dem Gedanken, daß er mit aller Gewalt seelig werden wolle, beschäftiget hatte, brach er in bittre Klagen über sein ehemaliges gottloses Leben aus, und fing mit einmal an: da bin ich so dabei gekommen! welche Worte er wohl drei bis viermal hintereinander wiederholte, und wenn sein Schlafkamerad ihn fragte, wobei denn? so antwortete er eben dasselbe. Nachher wurde er im Verhör über diese Worte vernommen, ob er irgend vor seiner Mordthat in seinem Leben sonst noch ein großes Verbrechen begangen habe, worauf er aber antwortete, daß er sich niemals eines vor dem menschlichen Richterstuhle strafbaren Verbrechens schuldig gemacht. Hieraus läßt sich vermuthen, daß die obigen Worte sich vielleicht auf seine schon im Sinn habende Mordthat beziehen mochten, die er sich schon so gut als geschehen dachte.



ner zu hochgetriebenen Heiligkeit etwas aufzuziehen, indem er zu ihm sagte: es sey doch unrecht, daß einige Leute so ganz auszeichnend fromm seyn, und dadurch anzeigen wollten, als wenn sie allein nur die waͤren, die der Seeligkeit theilhaftig werden koͤnnten. Voͤlkner antwortete darauf, daß sey von ihm sehr unrecht gedacht, man muͤsse seelig werden, und kurz darauf rief er heftig aus: ich will, ich muß seelig werden! Diese Worte wiederholte er einigemale mit barscher Stimme, wobei er stark mit den Haͤnden fochte, und sich im Bette herumwarf. Nachdem er sich nun noch eine ganze Weile mit dem Gedanken, daß er mit aller Gewalt seelig werden wolle, beschaͤftiget hatte, brach er in bittre Klagen uͤber sein ehemaliges gottloses Leben aus, und fing mit einmal an: da bin ich so dabei gekommen! welche Worte er wohl drei bis viermal hintereinander wiederholte, und wenn sein Schlafkamerad ihn fragte, wobei denn? so antwortete er eben dasselbe. Nachher wurde er im Verhoͤr uͤber diese Worte vernommen, ob er irgend vor seiner Mordthat in seinem Leben sonst noch ein großes Verbrechen begangen habe, worauf er aber antwortete, daß er sich niemals eines vor dem menschlichen Richterstuhle strafbaren Verbrechens schuldig gemacht. Hieraus laͤßt sich vermuthen, daß die obigen Worte sich vielleicht auf seine schon im Sinn habende Mordthat beziehen mochten, die er sich schon so gut als geschehen dachte.


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[13/0017] ner zu hochgetriebenen Heiligkeit etwas aufzuziehen, indem er zu ihm sagte: es sey doch unrecht, daß einige Leute so ganz auszeichnend fromm seyn, und dadurch anzeigen wollten, als wenn sie allein nur die waͤren, die der Seeligkeit theilhaftig werden koͤnnten. Voͤlkner antwortete darauf, daß sey von ihm sehr unrecht gedacht, man muͤsse seelig werden, und kurz darauf rief er heftig aus: ich will, ich muß seelig werden! Diese Worte wiederholte er einigemale mit barscher Stimme, wobei er stark mit den Haͤnden fochte, und sich im Bette herumwarf. Nachdem er sich nun noch eine ganze Weile mit dem Gedanken, daß er mit aller Gewalt seelig werden wolle, beschaͤftiget hatte, brach er in bittre Klagen uͤber sein ehemaliges gottloses Leben aus, und fing mit einmal an: da bin ich so dabei gekommen! welche Worte er wohl drei bis viermal hintereinander wiederholte, und wenn sein Schlafkamerad ihn fragte, wobei denn? so antwortete er eben dasselbe. Nachher wurde er im Verhoͤr uͤber diese Worte vernommen, ob er irgend vor seiner Mordthat in seinem Leben sonst noch ein großes Verbrechen begangen habe, worauf er aber antwortete, daß er sich niemals eines vor dem menschlichen Richterstuhle strafbaren Verbrechens schuldig gemacht. Hieraus laͤßt sich vermuthen, daß die obigen Worte sich vielleicht auf seine schon im Sinn habende Mordthat beziehen mochten, die er sich schon so gut als geschehen dachte.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/17>, abgerufen am 29.03.2024.