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Morgenstern, Lina: Ein offenes Wort über das medizinische Studium der Frauen an Herrn Prof. Dr. W. Waldeyer. Berlin, 1888.

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Krafinskojan und Schrebrenikoff zu Sekretärinnen gewählt. In der10.283
Sektion für Zoologie und Anthropologie wurde Frau Perejaszlawzew10.284
und in der mathematischen Abteilung Frau Sophie Kowalewska,10.285
Professor der Mathematik an der Hochschule zu Stockholm, als 10.286
Vorsitzende gewählt, ebenso in der Sitzung für Gesundheitspflege und10.287
Hygiene Frau A. Rosina, Dr. der Medizin*).10.323

Mehr noch als diese Ehrenbezeugungen bekundete auf diesem10.289
Congreß die Erklärung des Professors Sklifassowski die 10.290
Anerkennung der weiblichen Kolleginnen: Wir haben die Frau in10.291
den Räumen der Universität kennen gelernt, als Kreisarzt auf dem10.292
Lande gesehen; wir haben sie als Arzt auf den Schlachtfeldern 10.293
bewundert und überall hat sie sich unsere Sympathien erworben und10.294
sich würdig gezeigt, auf einer Stufe mit den Männern zu stehen.
10.295
-- Eine andere Bemerkung in Ihrem Vortrage, hochgeehrter Herr10.296
Professor, bezieht sich auf das Citat Carl Vogts: Es ist 10.297
merkwürdig, aber Resultat der Erfahrungen in allen unseren 10.298
Laboratorien, daß die Damen ungeschickt mit ihren Händen, unsauber in10.299
ihren Arbeiten und unfähig, sich selbst zu helfen sind, wenn sie10.300
auf irgend eine Schwierigkeit stoßen
. Dieses harte Urteil, dem10.301
noch hinzugefügt ist, es giebt allerdings Ausnahmen, ist um so10.303
befremdender, als es in der Frauennatur und in ihrem Wirken in10.304
der Häuslichkeit liegt, die Hand für alle Arbeiten geschickt zu machen10.305
und ihre Sorgfalt der Reinlichkeit ihrer eigenen Person und ihrer10.306
häuslichen Umgebung zuzuwenden. Wenn solche, dem 10.307
entgegengesetzte Fälle häufig in den Laboratorien vorgekommen sind, so mag10.308
dies wohl mehr an dem Mangel individueller Begabung, sowie an10.309
Unsicherheit und Ängstlichkeit gelegen haben. Das Urteil eines 10.310
Professors von der Bedeutung eines Carl Vogt, welcher den Frauen10.311
die Befähigung zum Studium in allen Fakultäten zugesprochen hat,10.311
sollte doch etwas vorsichtiger über die gemachten Erfahrungen10.312
lauten.10.313

Wenn Sie, hochgeehrter Herr Professor, behaupten, daß die10.314
Geburtshülfe auf niederer Stufe stehen blieb, so lange sie von den10.315
Frauen allein ausgeübt wurde, und daß sie erst dann zu einer wahren10.316
Kunst und Wissenschaft erblühte, als wissenschaftlich gebildete Männer10.317
sich des Faches tüchtig annahmen, so ist dieses Resultat ganz 10.318
natürlich, denn nicht als studierte Ärztinnen, sondern als Hebeammen,10.319
welche eine höchst mangelhafte und nur technische Ausbildung 10.320
erhielten, übten die Frauen die Geburtshülfe und zwar in einer ganz10.321

*) Siehe Deutsche Hausfrauenzeitung von Lina Morgenstern Nr. 610.288
S. 49: Die Frauen auf dem Ru11sse der Naturforscher.

Krafinskojan und Schrebrenikoff zu Sekretärinnen gewählt. In der10.283
Sektion für Zoologie und Anthropologie wurde Frau Perejaszlawzew10.284
und in der mathematischen Abteilung Frau Sophie Kowalewska,10.285
Professor der Mathematik an der Hochschule zu Stockholm, als 10.286
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Hygiene Frau A. Rosina, Dr. der Medizin*).10.323

Mehr noch als diese Ehrenbezeugungen bekundete auf diesem10.289
Congreß die Erklärung des Professors Sklifassowski die 10.290
Anerkennung der weiblichen Kolleginnen: Wir haben die Frau in10.291
den Räumen der Universität kennen gelernt, als Kreisarzt auf dem10.292
Lande gesehen; wir haben sie als Arzt auf den Schlachtfeldern 10.293
bewundert und überall hat sie sich unsere Sympathien erworben und10.294
sich würdig gezeigt, auf einer Stufe mit den Männern zu stehen.
10.295
— Eine andere Bemerkung in Ihrem Vortrage, hochgeehrter Herr10.296
Professor, bezieht sich auf das Citat Carl Vogts: Es ist 10.297
merkwürdig, aber Resultat der Erfahrungen in allen unseren 10.298
Laboratorien, daß die Damen ungeschickt mit ihren Händen, unsauber in10.299
ihren Arbeiten und unfähig, sich selbst zu helfen sind, wenn sie10.300
auf irgend eine Schwierigkeit stoßen
. Dieses harte Urteil, dem10.301
noch hinzugefügt ist, es giebt allerdings Ausnahmen, ist um so10.303
befremdender, als es in der Frauennatur und in ihrem Wirken in10.304
der Häuslichkeit liegt, die Hand für alle Arbeiten geschickt zu machen10.305
und ihre Sorgfalt der Reinlichkeit ihrer eigenen Person und ihrer10.306
häuslichen Umgebung zuzuwenden. Wenn solche, dem 10.307
entgegengesetzte Fälle häufig in den Laboratorien vorgekommen sind, so mag10.308
dies wohl mehr an dem Mangel individueller Begabung, sowie an10.309
Unsicherheit und Ängstlichkeit gelegen haben. Das Urteil eines 10.310
Professors von der Bedeutung eines Carl Vogt, welcher den Frauen10.311
die Befähigung zum Studium in allen Fakultäten zugesprochen hat,10.311
sollte doch etwas vorsichtiger über die gemachten Erfahrungen10.312
lauten.10.313

Wenn Sie, hochgeehrter Herr Professor, behaupten, daß die10.314
Geburtshülfe auf niederer Stufe stehen blieb, so lange sie von den10.315
Frauen allein ausgeübt wurde, und daß sie erst dann zu einer wahren10.316
Kunst und Wissenschaft erblühte, als wissenschaftlich gebildete Männer10.317
sich des Faches tüchtig annahmen, so ist dieses Resultat ganz 10.318
natürlich, denn nicht als studierte Ärztinnen, sondern als Hebeammen,10.319
welche eine höchst mangelhafte und nur technische Ausbildung 10.320
erhielten, übten die Frauen die Geburtshülfe und zwar in einer ganz10.321

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[10/0009] Krafinskojan und Schrebrenikoff zu Sekretärinnen gewählt. In der 10.283 Sektion für Zoologie und Anthropologie wurde Frau Perejaszlawzew 10.284 und in der mathematischen Abteilung Frau Sophie Kowalewska, 10.285 Professor der Mathematik an der Hochschule zu Stockholm, als 10.286 Vorsitzende gewählt, ebenso in der Sitzung für Gesundheitspflege und 10.287 Hygiene Frau A. Rosina, Dr. der Medizin *). 10.323 Mehr noch als diese Ehrenbezeugungen bekundete auf diesem 10.289 Congreß die Erklärung des Professors Sklifassowski die 10.290 Anerkennung der weiblichen Kolleginnen: Wir haben die Frau in 10.291 den Räumen der Universität kennen gelernt, als Kreisarzt auf dem 10.292 Lande gesehen; wir haben sie als Arzt auf den Schlachtfeldern 10.293 bewundert und überall hat sie sich unsere Sympathien erworben und 10.294 sich würdig gezeigt, auf einer Stufe mit den Männern zu stehen. 10.295 — Eine andere Bemerkung in Ihrem Vortrage, hochgeehrter Herr 10.296 Professor, bezieht sich auf das Citat Carl Vogts: Es ist 10.297 merkwürdig, aber Resultat der Erfahrungen in allen unseren 10.298 Laboratorien, daß die Damen ungeschickt mit ihren Händen, unsauber in 10.299 ihren Arbeiten und unfähig, sich selbst zu helfen sind, wenn sie 10.300 auf irgend eine Schwierigkeit stoßen. Dieses harte Urteil, dem 10.301 noch hinzugefügt ist, es giebt allerdings Ausnahmen, ist um so 10.303 befremdender, als es in der Frauennatur und in ihrem Wirken in 10.304 der Häuslichkeit liegt, die Hand für alle Arbeiten geschickt zu machen 10.305 und ihre Sorgfalt der Reinlichkeit ihrer eigenen Person und ihrer 10.306 häuslichen Umgebung zuzuwenden. Wenn solche, dem 10.307 entgegengesetzte Fälle häufig in den Laboratorien vorgekommen sind, so mag 10.308 dies wohl mehr an dem Mangel individueller Begabung, sowie an 10.309 Unsicherheit und Ängstlichkeit gelegen haben. Das Urteil eines 10.310 Professors von der Bedeutung eines Carl Vogt, welcher den Frauen 10.311 die Befähigung zum Studium in allen Fakultäten zugesprochen hat, 10.311 sollte doch etwas vorsichtiger über die gemachten Erfahrungen 10.312 lauten. 10.313 Wenn Sie, hochgeehrter Herr Professor, behaupten, daß die 10.314 Geburtshülfe auf niederer Stufe stehen blieb, so lange sie von den 10.315 Frauen allein ausgeübt wurde, und daß sie erst dann zu einer wahren 10.316 Kunst und Wissenschaft erblühte, als wissenschaftlich gebildete Männer 10.317 sich des Faches tüchtig annahmen, so ist dieses Resultat ganz 10.318 natürlich, denn nicht als studierte Ärztinnen, sondern als Hebeammen, 10.319 welche eine höchst mangelhafte und nur technische Ausbildung 10.320 erhielten, übten die Frauen die Geburtshülfe und zwar in einer ganz 10.321 *) Siehe Deutsche Hausfrauenzeitung von Lina Morgenstern Nr. 6 10.288 S. 49: Die Frauen auf dem Ru11sse der Naturforscher.

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Zitationshilfe: Morgenstern, Lina: Ein offenes Wort über das medizinische Studium der Frauen an Herrn Prof. Dr. W. Waldeyer. Berlin, 1888, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/morgenstern_studium_1888/9>, abgerufen am 29.03.2024.