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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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erfordert namentlich in folgenden Verhältnissen ein übereinstim-
mendes Wollen und Handeln:

Zunächst hinsichtlich des Verkehres der Einzelnen über
die Grenzen ihres eigenen Staates hinaus, sei es nun mit fremden
Staaten als solchen, sei es mit den Bürgern derselben. Die
Gründe zu solchem Verkehre sind mannchfach und nöthigend.
Namentlich: gegenseitiger Austausch von Lebensbedürfnissen
jeder Art, da kein Land und kein Volk einerseits alles erzeugt,
was es bedarf, andererseits alles verbraucht, was es hervor-
bringt und was anderen nützlich ist; Einsammlung von Kennt-
nissen und Erfahrungen außerhalb der eigenen Landesgränzen;
Gesundheitsrücksichten u. s. w. Je gesittigter und vielseitiger
ein Volk ist, desto größer ist auch das Bedürfniß seiner An-
gehörigen nach solchem auswärtigen Verkehr (Türken, Hotten-
totten und Botokuden reisen gar nicht, Spanier nicht viel).
Die immer steigende Leichtigkeit des Verkehres steigert auch die
Möglichkeit, und die Lust zu demselben. Aus solchen Be-
ziehungen des Einzelnen zum Auslande ergeben sich dann aber
auch Verhältnisse desselben zu den fremden Staaten als solchen
und zu deren Regierungen. So z. B. Verlangen nach Schutz,
Begehren nach Unterstützung, Forderung von Rechtshilfe, Fol-
gerungen aus Uebertretungen der Gesetze.

Sodann können auch ganze gesellschaftliche Kreise, wenn
schon seltener und in der Regel verschwommener, in Beziehun-
gen zu gleichartigen Gestaltungen innerhalb der Gränzen an-
derer Staaten stehen. Dadurch tritt denn aber ebenfalls die
Nothwendigkeit einer Ordnung von Verhältnissen, sowohl mit
Einzelnen als mit Regierungen, ein. So z. B. bei gleichen
Kirchen, gleichen Ständen, gleichen Racen.

Endlich kommen die Staaten selbst als Einheiten in viel-
fache Berührungen mit anderen gleichzeitig bestehenden Staa-
ten. Feststellung der Gränzen, Selbständigkeit der Willens-

3*

erfordert namentlich in folgenden Verhältniſſen ein übereinſtim-
mendes Wollen und Handeln:

Zunächſt hinſichtlich des Verkehres der Einzelnen über
die Grenzen ihres eigenen Staates hinaus, ſei es nun mit fremden
Staaten als ſolchen, ſei es mit den Bürgern derſelben. Die
Gründe zu ſolchem Verkehre ſind mannchfach und nöthigend.
Namentlich: gegenſeitiger Austauſch von Lebensbedürfniſſen
jeder Art, da kein Land und kein Volk einerſeits alles erzeugt,
was es bedarf, andererſeits alles verbraucht, was es hervor-
bringt und was anderen nützlich iſt; Einſammlung von Kennt-
niſſen und Erfahrungen außerhalb der eigenen Landesgränzen;
Geſundheitsrückſichten u. ſ. w. Je geſittigter und vielſeitiger
ein Volk iſt, deſto größer iſt auch das Bedürfniß ſeiner An-
gehörigen nach ſolchem auswärtigen Verkehr (Türken, Hotten-
totten und Botokuden reiſen gar nicht, Spanier nicht viel).
Die immer ſteigende Leichtigkeit des Verkehres ſteigert auch die
Möglichkeit, und die Luſt zu demſelben. Aus ſolchen Be-
ziehungen des Einzelnen zum Auslande ergeben ſich dann aber
auch Verhältniſſe desſelben zu den fremden Staaten als ſolchen
und zu deren Regierungen. So z. B. Verlangen nach Schutz,
Begehren nach Unterſtützung, Forderung von Rechtshilfe, Fol-
gerungen aus Uebertretungen der Geſetze.

Sodann können auch ganze geſellſchaftliche Kreiſe, wenn
ſchon ſeltener und in der Regel verſchwommener, in Beziehun-
gen zu gleichartigen Geſtaltungen innerhalb der Gränzen an-
derer Staaten ſtehen. Dadurch tritt denn aber ebenfalls die
Nothwendigkeit einer Ordnung von Verhältniſſen, ſowohl mit
Einzelnen als mit Regierungen, ein. So z. B. bei gleichen
Kirchen, gleichen Ständen, gleichen Racen.

Endlich kommen die Staaten ſelbſt als Einheiten in viel-
fache Berührungen mit anderen gleichzeitig beſtehenden Staa-
ten. Feſtſtellung der Gränzen, Selbſtändigkeit der Willens-

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[35/0049] erfordert namentlich in folgenden Verhältniſſen ein übereinſtim- mendes Wollen und Handeln: Zunächſt hinſichtlich des Verkehres der Einzelnen über die Grenzen ihres eigenen Staates hinaus, ſei es nun mit fremden Staaten als ſolchen, ſei es mit den Bürgern derſelben. Die Gründe zu ſolchem Verkehre ſind mannchfach und nöthigend. Namentlich: gegenſeitiger Austauſch von Lebensbedürfniſſen jeder Art, da kein Land und kein Volk einerſeits alles erzeugt, was es bedarf, andererſeits alles verbraucht, was es hervor- bringt und was anderen nützlich iſt; Einſammlung von Kennt- niſſen und Erfahrungen außerhalb der eigenen Landesgränzen; Geſundheitsrückſichten u. ſ. w. Je geſittigter und vielſeitiger ein Volk iſt, deſto größer iſt auch das Bedürfniß ſeiner An- gehörigen nach ſolchem auswärtigen Verkehr (Türken, Hotten- totten und Botokuden reiſen gar nicht, Spanier nicht viel). Die immer ſteigende Leichtigkeit des Verkehres ſteigert auch die Möglichkeit, und die Luſt zu demſelben. Aus ſolchen Be- ziehungen des Einzelnen zum Auslande ergeben ſich dann aber auch Verhältniſſe desſelben zu den fremden Staaten als ſolchen und zu deren Regierungen. So z. B. Verlangen nach Schutz, Begehren nach Unterſtützung, Forderung von Rechtshilfe, Fol- gerungen aus Uebertretungen der Geſetze. Sodann können auch ganze geſellſchaftliche Kreiſe, wenn ſchon ſeltener und in der Regel verſchwommener, in Beziehun- gen zu gleichartigen Geſtaltungen innerhalb der Gränzen an- derer Staaten ſtehen. Dadurch tritt denn aber ebenfalls die Nothwendigkeit einer Ordnung von Verhältniſſen, ſowohl mit Einzelnen als mit Regierungen, ein. So z. B. bei gleichen Kirchen, gleichen Ständen, gleichen Racen. Endlich kommen die Staaten ſelbſt als Einheiten in viel- fache Berührungen mit anderen gleichzeitig beſtehenden Staa- ten. Feſtſtellung der Gränzen, Selbſtändigkeit der Willens- 3*

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/49>, abgerufen am 25.04.2024.